Die Zugspitze, auf der sommers wie winters unentwegt Menschen oben sind und die vom Tal aus von noch viel mehr Menschen tagein, tagaus genießerisch betrachtet wird - sie ist ein im Grunde wenig bekannter Berg. Die Deutschland zugewandte markante Silhouette, die Bergbahnen hinauf in die Höhe, das verbaute Platt - das alles kennt man. Aber sonst? Haben viele kein rechtes Bild von Deutschlands höchstem Berg. Daran trügen nicht zuletzt auch Fotografen Schuld, urteilt der Fotograf Hans Engels: Nur eine Handvoll Zugspitz-Bildbände gebe es, sagt er im Vorwort-Interview zu seinem eigenen Bildband "Zugspitze"; und in diesen Büchern fänden sich im Grunde immer bloß Panorama-Aufnahmen und Murmeltierfotos.
Engels meint das nicht abschätzig. Eher ist er erstaunt, dass er noch Pionierarbeit leisten kann, indem er die Zugspitze fotografisch gründlich erforscht. Das Tal - Der Weg nach oben - Der Gipfel: Ganz simpel untergliedert Engels seinen Band. Aber ihn treibt keine gipfelstürmende Zielstrebigkeit an. Vielmehr umkreist er den Berg, im Tal und an seinen Flanken. Wandert im Reintal zu kleinen Seen abseits der Wege, folgt dem Verlauf der ersten Seilbahn im Gamskar, von der nur noch die erodierenden Fundamentblöcke zu sehen sind. Und gelangt irgendwann zu dem verfallenen Eingang eines Erzbergwerks aus dem Ersten Weltkrieg, Teil einer heute noch zu erahnenden weitläufigen Industrieanlage auf der Zugspitze. Auf dem Zugspitzplatt stößt der Fotograf auf eine Flak-Granate von 1941, sie liegt heute noch dort oben. Die von Engels informierte Polizei konnte den Blindgänger nicht finden.
Relikte der Vergangenheit - der jüngsten wie der erdgeschichtlichen - hat Hans Engels im Visier. "Ich wollte den Berg, den jeder Deutsche kennt, hinterfragen", sagt er. Ohne ihn dabei jedoch zu mystifizieren. Sondern schlicht neue, andere Bilder als die sattsam bekannten zu zeigen. Sie bieten sich einem dar, wenn man aus dem massentouristischen Strom ausschert, Zeit mitbringt und den Dingen auf den Grund geht. "Ständig reisen alle durch die Weltgeschichte", so Engels, "dabei birgt unsere Heimat ja vielleicht genauso faszinierende Geheimnisse." Bei Hans Engels Zugspitz-Fotografien ist das Schöne häufig gepaart mit einer greifbaren Unwirtlichkeit, die Erhabenheit mit Schroffheit. Nicht einmal 3000 Meter hoch ist dieser Berg. Dafür wirkt er an vielen Stellen erstaunlich wenig domestiziert.
Hans Engels : Zugspitze. Deutscher Kunstverlag, Berlin/München 2015. 96 Seiten, 29,90 Euro.