Sie könne mir ein mittelalterliches Dorf zeigen, auf der Halbinsel Abseron, sagt die Übersetzerin. Ich will Öl sehen, will zum Ölfeld Bibi Heybat. "Ich kann Ihnen auch die antiken Felsinschriften von Gobustan zeigen", sagt die Übersetzerin.
Polizisten in Baku bei einer Demonstration der Opposition im März 2011 - auf dem Bild halten sie zunächst nur eine Statue in Schach.
(Foto: AFP)Ich habe die schönen Seiten Aserbaidschans gesehen: die Ausgrabung der antiken Hauptstadt Gabala im Südkaukasus, die sanierte Innenstadt von Baku mit ihren glänzenden Plätzen und Fassaden. Gerade geht die Sonne unter hinter der Baustelle der Flame Towers auf dem Berg über der Stadt. Ich will jetzt Öl sehen.
"Ich kenne das Ölfeld nicht", sagt die Übersetzerin. "Es gibt hier kein Ölfeld." Und dann sehe ich sie doch, zufällig, im Vorbeifahren aus dem Taxifenster, die rostigen Ölpumpen von Bibi Heybat. Sie reihen sich von der Straße bis zum Kaspischen Meer, knarzend und zwitschernd senken sie feine Rohre in die Erde.
Hier fand 1846 die erste Ölbohrung der Welt statt. Hier wiegelte Josef Dschugaschwili die Arbeiter zum Aufstand auf, bevor er Stalin hieß. Im James-Bond-Film "Die Welt ist nicht genug" jagt Pierce Brosnan im Sportcoupé vorbei. Und in Sichtweite knattert die aserbaidschanische Flagge auf dem höchsten Fahnenmast der Welt: 162 Meter, zwei Meter höher als der im nordkoreanischen Kijong-dong. Zu seinen Füßen entstand die neue Baku Crystal Hall für den Eurovision Song Contest im Mai.
Die Schuhe schwer von öligem Schlamm, steigen wir zurück in den Wagen. Hält die Übersetzerin uns für verrückt? "Nein", sagt sie resigniert. "Das ist normal. Viele wollen das sehen."
Ihr Widerwille ist verständlich: Das Öl hat Aserbaidschan, zumindest die Elite, so reich gemacht wie nie. Doch wird dieser Reichtum gerade eingesetzt, um das ölige Image um jeden Preis zu überwinden. Fieberhaft richtet sich die "Stadt der Winde", "bad kube", wie der Name Baku sich aus dem Persischen ableitet, für den Außenblick her. Öltourismus steht nicht auf dem Plan.
Dabei hat der antike Vorläufer: Über Jahrhunderte pilgerten Zoroastrier aus Indien und Persien zur natürlichen Flamme im Feuertempel Atashgah auf der anderen Seite der Stadt. Heute brennt die Flamme nur, wenn eine Aufseherin missmutig die Gasleitung aufdreht.