TV-Kritik: Eurovision Song Contest - das Finale:Eigentlich ganz lecker

Lesezeit: 2 min

Wer gewinnt eigentlich den Eurovison Song Contest, wenn die Lieder einander immer mehr ähneln? Ganz einfach: Perfekt produzierter Pop - und der kommt in diesem Jahr aus Aserbaidschan.

Mirjam Hauck

Was wurde in jüngster Zeit nicht immer über den Zustand Europas gesagt: Der Kontinent stecke in einer tiefen Krise: Es liege an Griechenland oder an Portugal oder an Dänemark. Europa sei zerstrittener den je.

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Wer sich den Eurovision Song Contest angeschaut hat, der weiß jetzt, dass das nicht stimmt: Europa ist sich einig. Am liebsten hört man hierzulande Mainstream-Pop. Fast alle Lieder, die es ins Finale geschafft haben gehören dazu - sei es die Darbietung der putzigen Dänen, die im rückenfreien Leibchen den neuen Morgen ( A friend in London, "New tomorrow") besingen oder das Lied von Nina, die ein bisschen aussieht wie die jüngere serbische Schwester von Claudia Roth, offenbar deren 60er Jahre Klamotten aufträgt und sich an Soul-Pop versucht.

Feine Unterschiede gibt es vor allem in der Professionalität: Wer sich gute Komponisten und vor allem gute Produzenten leistet, hat die besseren Chancen. Lieblose Sommerhit-Klischees wie Spaniens Lucia Pérez mit "Que me Quiten Lo Bailao" oder Estlands Teenie-Popgörennummer "Rockefeller Street" von Getter Jani landen so nur unter ferner liefen.

Wer also ganz oben aufs Treppchen will, muss den perfekten Popsong abliefern - und das gelingt 2011 dem Duo Ell und Nikki aus Aserbaidschan, ein Land, das hierzulande eher Asien zugeordnet wird, wenn es denn überhaupt zugeordnet werden kann. Die aserbaidschanische Sängerin ficht das nicht an, sie sieht aus wie Jennifer Lopez. Die Schöne hat einen männlichen Duettpartner mitgebracht, der auf der großen Bühne etwas unscheinbar wirkt. Aber das macht nichts, denn ihr Song "Running Scared" ist perfekt, wenn auch in der Kuschel-Schmacht-Variante.

So angenehm die Homogenität der Beiträge für Nebentätigkeiten wie Bügeln oder Wäsche zusammenlegen auch wäre, bei dem mit großem Tamtam zelebrieren Ereignis vor dem Fernseher (Käsestücken mit Länderfähnchen auf dem Wohnzimmertisch), führt das zu leichten Ermüdungserscheinungen. Nicht nur vor dem Fernseher.

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Die meisten Lieder schafften es nur über eine Grenze und Vorjahresgewinnerin Lena sollte sich daher über ihren zehnten Platz nicht all zu sehr grämen. Ihre Konkurrenten erlitten in ähnliches Schicksal, sie fanden sich im Mittelfeld wieder - seien es die hyperaktiven Flummis und als Favoriten gehandelten Zwillinge Jedward aus Irland oder Großbritanniens gealterte Boyband namens Blue. Der Eurovision Song Contest 2011 bot Pop-Einheitsbrühe, der aber ganz lecker schmeckte.

Das Maggi darin war dann - trotz erheblicher Anlaufschwierigkeiten in den Halbfinal-Übertragungen - das Moderatorentrio Stefan Raab, Anke Engelke und Judith Rakers. Ihre Headbanger-Variationen von Lenas Vorjahressong "Satellite" und der Eurovisionshymne rangen dem russischen Punktevergeber und ehemaligen ESC-Gewinner Dima Bilan ein "You are so funny" ab.

Man war sich also wieder einmal einig. Sogar in Sachen Humor.

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