Südafrika:Bei Nichterscheinen Gefängnis

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Auf fünf Milliarden Euro schätzt man den Schaden, den das frühere Staatsoberhaupt und seine Clique durch Korruption anrichteten: Südafrikas Ex-Präsident Jacob Zuma. (Foto: AFP)

Wenn Ex-Präsident Jacob Zuma nicht vor der Kommission aussagt, welche die gewaltige Korruption in seinen Amtsjahren untersucht, droht ihm eine Haftstrafe . Diese Aussicht erschreckt selbst seine Kritiker.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Am Donnerstag fuhr Polizeiminister Bheki Cele in die tiefe Provinz Südafrikas, um dem ehemaligen Staatspräsidenten Jacob Zuma einen Besuch abzustatten. Der lebt seit dem vorzeitigen Rückzug aus dem Amt im Jahr 2018 auf seinem Landsitz in Nkandla, einem auf Staatskosten zum Luxusanwesen ausgebauten Palast.

Cele hätte sich von Zuma den Swimmingpool zeigen lassen können, den der in ein "Löschwasserdepot" umdeklariert hatte, nachdem sich die Öffentlichkeit wenig begeistert über die vom Steuerzahler finanzierten Annehmlichkeiten zeigte, die insgesamt etwa 13 Millionen Euro gekostet haben sollen. Eine gewaltige Summe, die aber gemessen an dem, was in der Ära Zuma durch Diebstahl und Korruption verschwunden ist, nicht weiter ins Gewicht fallen.

Auf fünf Milliarden Euro schätzen Korruptionsexperten den Schaden aus seiner neunjährigen Amtszeit, weshalb Polizeiminister Cele vielleicht auf eine Besichtigung des Swimmingpools verzichtete. Er kam letztlich, um Zuma noch einmal ins Gewissen zu reden, vor der staatlichen Zondo-Kommission zu erscheinen, die seit 2018 die Verbrechen und Verfehlungen der Zuma-Jahre aufzuklären versucht, was Zuma bisher nur bedingt erfreut.

Empörte Bürger protestieren vor dem Gericht in Johannesburg, das die Korruptionsfälle untersucht und Jacob Zuma auffordert, vor den Richtern zu erscheinen. (Foto: SIPHIWE SIBEKO/REUTERS)

Cele hatte am Donnerstag keinen Haftbefehl dabei, kam aber offenbar mit dem Hinweis, dass Zuma im Falle seines Nichterscheinens Gefängnis drohe. Was für Südafrika und den dort regierenden ANC eine historische Zäsur wäre.

Ob es tatsächlich dazu kommt, ist eine andere Frage. Seit gut zwei Jahren wühlt sich der zweithöchste Richter des Landes, Raymond Zondo, mit bewundernswerter Geduld und Genauigkeit durch den Morast aus Korruption und moralischer Verwahrlosung der Regierungspartei. Die Kommission klärt auf, wie Zuma und seine Clique die staatlichen Unternehmen ausgenommen haben wie Weihnachtsgänse, wie sie Geld in Ledertaschen davonschleppten und sich teure Luxuskarossen kauften.

Die damalige Ministerin Nomvula Mokonyane schleppte nach Aussagen von Zeugen ganze Säcke voller Fleisch nach Hause, die sie als Weihnachtsgeschenk von einem Unternehmer bekommen hat, der mit dem Staat gut im Geschäft war.

Heute stehen die staatlichen Unternehmen vor dem Ruin, die einst stolze South African Airways fliegt schon lange nicht mehr, den Stromversorger Eskom drücken etwa 30 Milliarden Euro Schulden, und Stromausfälle gehören zum Alltag am Kap. Auch internationale Großkonzerne wie SAP, McKinsey oder KPMG beteiligten sich mutmaßlich an korrupten Machenschaften.

Unter Zuma wurden Institutionen so ausgehöhlt, dass ihre Kraft nicht mehr für belastbare Anklageschriften reicht

Die Fakten liegen auf dem Tisch, und seit Kurzem ist auch klar, dass die von der Kommission gesammelten Aussagen und Beweise auch von den Strafverfolgern verwendet werden können, um Anklage zu erheben gegen die Spitzenpolitiker des ANC. Nur - es passiert wenig bis nichts.

Einerseits, weil Zuma die Institutionen des Staates derart aushöhlte, dass Staatsanwaltschaft, Steuerbehörden und Polizei gar nicht mehr die Mittel haben, Anklagen auszuarbeiten, die dann vor Gericht auch Bestand haben. So wehrt sich Zuma seit zwei Jahrzehnten recht erfolgreich gegen ein Verfahren, das ihm Korruption bei einem Waffendeal mit dem französischen Konzern Thales vorwirft. Der Prozess ist letztlich vor allem eine Aneinanderreihung von Vertagungen.

Andererseits fehlt dem ANC der letzte Wille zur Erneuerung, was vor allem damit zu erklären ist, dass die Partei bis in die kleinsten Dörfer so sehr in Korruption verstrickt ist, dass nur wenig Interesse an Aufklärung und Konsequenzen besteht.

Präsident Cyril Ramaphosa, der Zuma 2018 schließlich aus dem Amt drängte, erklärt in regelmäßigen Abständen, wie wichtig der Kampf gegen Korruption und der Wiederaufbau der rechtsstaatlichen Institutionen seien. Aber der Präsident konnte bisher nicht einmal den ANC-Grundsatz durchsetzen, dass diejenigen ihr Amt ruhen lassen müssen, gegen die ein Strafverfahren läuft, was unter anderem den amtierenden ANC-Generalsekretär Ace Magashule betrifft.

Einst war der ANC eine Befreiungsbewegung, nun gleicht er eher einer mafiösen Organisation

Die einstige Befreiungsbewegung gleicht mittlerweile mehr einer mafiösen Organisation, deren Mitglieder selbst davor nicht zurückschreckten, etwa 600 000 Euro zu veruntreuen, die 2013 für die festliche Beerdigung von Nelson Mandela vorgesehen waren. In diesem Fall wurden jüngst 15 Personen verhaftet, ob Zuma jemals ins Gefängnis kommt, ist aber fraglich. Der ehemalige Präsident hat weiterhin viel Einfluss, ist Teil einer mächtigen Gruppe, die den Staat weiter plündern oder zumindest für die Verbrechen der Vergangenheit nicht ins Gefängnis will.

Zuma verschickte vor wenigen Tagen eine endlose Stellungnahme, in der er der Zondo-Kommission "politische Propaganda" vorwarf und sich weiter weigerte, dort zu erscheinen. Richter Zondo findet, dass er nun ins Gefängnis müsste. Selbst Zumas Kritiker im ANC fürchten aber, dass dies die Organisation zerreißen könnte. Außerhalb der Partei halten viele Südafrikaner dieses Szenario aber nicht für das schlechteste.

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