Zum Tod von Peter Struck:Der Parteisoldat

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Als Minister prägte er das Wort, dass Deutschlands Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt werden müsse. Viele Jahre führte er die Fraktion im Bundestag und erwarb dort den Respekt politischer Freunde und Gegner. Als Typ, als Sozialdemokrat, als loyaler Verteidigungsminister - Peter Struck wird in Erinnerung bleiben.

Nico Fried, Berlin

Peter Struck gehört zu den Politikern, die vor allem als Typen in Erinnerung bleiben werden. Diese Ruppigkeit, das Poltern, die Ungeduld. Aber auch seine offene Art, sein Humor und seine Selbstironie. Sein höchstes Amt war das des Bundesverteidigungsministers, aber das Bild, das aus dieser Zeit in Erinnerung bleibt, ist vor allem das des Soldatenkumpels.

Struck war zwei Mal Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Und seinen Abgeordneten bleibt er wohl in Erinnerung als der bärbeißige Mann für die Disziplin, wie auch als beschwichtigender Moderator vieler Konflikte. "Kinder, jetzt hört doch mal auf", war so ein Satz von Struck und zugleich seine Methode.

Trauerfeier für Peter Struck
:Abschied vom Parteisoldaten

Soldaten der Bundeswehr stehen an seinem Sarg Wache. Während einer Trauerfeier erweisen führende Politiker dem ehemaligen Verteidigungsminister Peter Struck die letzte Ehre. Am 19. Dezember war er an einem Herzinfarkt gestorben.

Er selbst freilich ging keinem Konflikt aus dem Weg. Dabei schoss er gelegentlich über das Ziel hinaus, was ihm hinterher leidtat. Manchmal. Dass er bisweilen deftige persönliche Beleidigungen verwendete, bezeichnete er selbst einmal selbstironisch als "eine verbalradikale Schwäche von mir". Wegen seiner Art - und weil er leidenschaftlich Pfeife rauchte - wurde er bisweilen mit Herbert Wehner verglichen, seinem vielleicht bekanntesten Vorgänger als SPD-Fraktionschef. Das fand Struck selbst eine Nummer zu groß.

Aber die Beschreibungen als knorriger Typ, die gefielen ihm. Sein Charakter hob ihn auch ab von den jüngeren Abgeordneten in der eigenen Partei, aber auch im Parlament insgesamt, deren Glattheit und Karrierebewusstsein er mit wachsender Skepsis sah. Bei ihm war schließlich auch nicht alles so gekommen, wie er es sich vorgestellt hatte.

Peter Struck, 1943 als Sohn eines Soldaten und einer Verkäuferin geboren, war der Weg in die Politik nicht vorgezeichnet. Sein Vater, so hat er mal erzählt, habe sich nach dem Krieg bis zum Betriebsleiter hochgearbeitet, aber die Politik war ihm suspekt. Nach den Nazis, so Struck senior, wolle er mit keiner Partei mehr etwas zu tun haben. Der Sohn aber trat 1964 in die SPD ein. Weil er wollte, dass es Menschen aus einfachen Verhältnissen besser haben. Und weil er fasziniert war von einer Rede Brandts. Zunächst wollte Struck Geschichte studieren, aber er wusste nicht, was er damit machen sollte. Also wählte er Jura.

Eigentlich wollte Struck Bürgermeister in seiner Heimatstadt Göttingen werden. Dann aber kandidierte er für den Bundestag. Und blieb 29 Jahre. Er saß im Flick-Untersuchungsausschuss. Er wurde parlamentarischer Geschäftsführer, schließlich Fraktionschef nach dem rot-grünen Wahlsieg 1998. Parlamentarier war er mit Begeisterung: "Es gibt nichts Höheres", hat er einmal gesagt. Das Struck'sche Gesetz, wonach kein Gesetz aus dem Parlament so herauskommt, wie es als Entwurf hineingegangen ist, war auch Ausdruck des großen Selbstbewusstseins als Parlamentarier.

Doch dann musste er doch ins Kabinett, nachdem Gerhard Schröder 2002 Verteidigungsminister Rudolf Scharping entlassen hatte. Ausgerechnet Struck, der wegen Augenproblemen ausgemustert worden war. Ausgerechnet Struck ließ sich von Gerhard Schröder in die Pflicht nehmen, der ihn Jahre vorher mal als Mittelmaß tituliert hatte. Aber Struck war loyal. Und Schröder wusste es zu schätzen. Nur einmal hat der Minister den Kanzler hinters Licht geführt, als er ihm (und auch der Öffentlichkeit) ausrichten ließ, sein Schlaganfall sei nur ein Kreislaufkollaps gewesen.

Als Verteidigungsminister entließ er ohne viel Federlesens suspekte Traditionalisten aus der Bundeswehr, was ihm Respekt verschaffte. Vor allem aber prägte er den Satz, Deutschlands Sicherheit werde auch am Hindukusch verteidigt. Er selbst hat sich stets gewundert, dass man ihm diese Doktrin einfach durchgehen ließ.

In der großen Koalition wurde Struck wieder Fraktionschef. Er musste den Laden im ungeliebten Bündnis mit der Union zusammenhalten. Mit seinem Kollegen Volker Kauder entstand eine Freundschaft. Mit Angela Merkel nicht, dafür aber eine Beziehung zweier Politiker mit offenem Visier. Er schätze an Merkel, dass man mit ihr "richtig heftig" streiten könne. "Aber danach war Schwamm drüber und gut."

Peter Struck hat einige Male aufgehört, aber er hat nie ganz losgelassen. Man könnte auch sagen, es hat ihn nicht losgelassen. Struck hat Ämter abgegeben und Mandate, aber er wollte nicht aufhören zu arbeiten, nicht aufhören, politisch zu arbeiten, wenn auch nicht mehr als Politiker. Erst am vergangenen Montag wurde Struck mit 69 Jahren erneut zum Vorsitzenden der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung gewählt.

Er hatte über all die Jahrzehnte einen Schlaganfall und zwei Herzinfarkte. Der Mann hätte sich auch mal schonen können, ja müssen. Aber das wollte er nicht. Einem dritten Herzinfarkt ist er am Mittwoch erlegen.

© SZ vom 20.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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