Zufluchtsort für Assange und Snowden:Eine Hoffnung namens Ecuador

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Zufluchtsort für Assange und Snowden: Rafael Correa, der Präsident von Ecuador in mitten seiner Parteimitglieder

Rafael Correa, der Präsident von Ecuador in mitten seiner Parteimitglieder

(Foto: AFP)

Warum suchen sich Wikileaks-Gründer Assange und Whistleblower Snowden ausgerechnet ein Land aus, das die Organisation "Reporter ohne Grenzen" auf Platz 119 der Pressefreiheit platziert? Es liegt auf der Hand: Ecuador ist ein sicherer Hafen für "Verräter", solange dort ein linksgerichteter Präsident den Gringos ein Schnippchen schlagen will.

Von Sebastian Schoepp

Ziemlich genau ein Jahr ist es her, dass Julian Assange Zuflucht vor dem Zugriff der USA in der Botschaft Ecuadors in London suchte. Offenbar scheint der Wikileaks-Gründer sich gut behandelt zu fühlen von den Südamerikanern. Assange war es, der Snowden zu Beginn seiner Flucht riet, in einem lateinamerikanischen Land um Asyl nachzusuchen. "Lateinamerika hat gezeigt, dass es bei den Menschenrechten vorankommt und eine lange Asyl-Tradition hat", sagte er.

Warum aber suchen sich die derzeit berühmtesten Apologeten ungebremster Informationsverbreitung ausgerechnet ein Land aus, das die Organisation Reporter ohne Grenzen auf dem wenig ruhmreichen Platz 119 der Pressefreiheit platziert, zwischen Nepal und Kamerun? Der wichtigste Grund liegt auf der Hand: Assange und Snowden dürfen annehmen, dass Ecuador ein sicherer Hafen für sie ist, solange dort ein linksgerichteter Präsident amtiert, der nicht so leicht eine Gelegenheit verplempert, den Gringos ein Schnippchen zu schlagen.

Für Ecuador wiederum war bereits das Asyl für Assange ein gewaltiger Werbeerfolg in der Netzgemeinde - im Ausland und zu Hause. Das ist wichtig für Correa, denn mit den Presse-Organen der alteingesessenen Elite Ecuadors liegt der Präsident über Kreuz. Er hat sich nichts Geringeres vorgenommen, als die gesamte Medienlandschaft des Landes neu zu ordnen. Sie soll "demokratisiert" werden, das heißt, die monopolartigen Kartelle privater Unternehmen sollen aufgebrochen werden durch mehr Konkurrenz, also durch staatliche Sender oder Bürgerradios.

Erstmalig prüft eine Regulierungsinstanz, ob Medienunternehmen eine marktdominierende Stellung anstreben. Auch das Recht auf Gegendarstellung wird gestärkt. Im Mittelpunkt der Kritik steht eine Klausel im neuen Mediengesetz zu "medialem Rufmord". Der Gesetzestext verbietet es Journalisten, Politiker oder Institutionen derart zu kritisieren, dass "ihre Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit herabgesetzt" wird. Kritiker sagen, das sei das "Ende des investigativen Journalismus" in Ecuador.

Correa sagt hingegen, es sei der erste Schritt, die mediale Anarchie in Ecuador zu beenden. Schon bei seinem ersten Wahlkampf 2006 hatte er praktisch die gesamte konservative Medienelite des Landes gegen sich, er gewann vor allem, weil er es sehr geschickt verstand, soziale Bewegungen und regierungsunabhängige Organisationen einzuspannen. Sein Sieg zerschmetterte die traditionelle Parteienlandschaft, die bis dato die Pfründe in einem korrupten Proporzsystem unter sich aufgeteilt hatte.

Correas Amtszeit ist bislang eine der stabilsten in der chaotischen Geschichte Ecuadors, im Februar gelang ihm die Wiederwahl mit knapp 57 Prozent der Stimmen. Das Verhältnis zur Traditionspresse ist endgültig zerrüttet seit 2010. Damals umstellten revoltierende Polizeieinheiten das Hospital, in dem Correa nach einer Knieoperationen behandelt wurde. Mit Hilfe der Armee wurde der gehunfähige Präsident schließlich in einer dramatischen Aktion aus dem Krankenhaus gebracht, dabei gab es Tote. Anschließend warf ihm der Kolumnist Emilio Palacio in der Zeitung El Universo vor, er habe der Armee Schießbefehl gegeben, und damit ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Außerdem habe er den ganzen Aufstand inszeniert und sei ein Diktator.

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