Wyclef Jean kandidiert in Haiti:"Ich muss den nächsten Schritt tun"

Lesezeit: 2 min

"Wenn ich Präsident wäre, dann würde ich am Freitag gewählt, am Samstag ermordet und am Sonntag beerdigt", sang Wyclef Jean. Nun tritt er tatsächlich an und will als haitianischer Präsident Diaspora und Elite der geplagten Insel zusammenbringen.

P. Burghardt

Vor ein paar Jahren sang er schon dieses Lied. "If I was president", hieß es, "wenn ich Präsident wäre." Wyclef Jean spielte dabei Gitarre, radelte im Takt des Reggae durch New York, wo er aufwuchs und berühmt wurde, und gab Interviews. "Wyclef Präsident", stand auf Schildern, man kann sich das Video auf YouTube anschauen. Jetzt scheint es Haitis bekanntester Musiker ernst zu meinen. Seit Wochen kursiert das Gerücht, der Sänger und Rapper wolle sich am 28. November für die Präsidentschaft seiner Heimat bewerben. Kürzlich gab er bei der Wahlbehörde in Port-au-Prince seine Fingerabdrücke ab. Am Donnerstag wolle er seine Kandidatur in der CNN-Show "Larry King Live" bekanntgeben, so meldet der Sender. "Ich muss den nächsten Schritt tun", sagt Wyclef Jean, das wisse er seit dem 12. Januar 2010.

Sänger Wyclef Jean: "Ich bin kein naiver Idealist." (Foto: REUTERS)

An jenem Tag brach die haitianische Hauptstadt unter fürchterlichen Erdstößen zusammen, 250 000 Menschen starben. Der Popstar setzte seine Popularität sofort für die Opfer ein. Bei einer Spendengala rief er Prominente wie Bono, Sting und George Clooney zusammen. Seine Stiftung Yéle Haiti ("Haitis Ruf nach Freiheit") gehörte bereits vorher zu den wichtigsten Aufbauhelfern. Sie kümmert sich um Schulstipendien und Armenspeisung. "Ohne das Beben hätte ich wohl noch weitere zehn Jahre gewartet", sagte Wyclef Jean dem US-Magazin Time. Aber "wenn ich nicht fünf Jahre aufbringen kann, um meinem Land zu dienen, dann würde alles, über das ich singe, wie gleiche Rechte, nichts bedeuten."

Mit seinen Stücken brachte er es zum erfolgreichsten Kulturexport der geplagten Halbinsel. Wyclef Jean kam 1972 in Croix-de-Bouquets zur Welt. Als er neun Jahre alt war, wanderte die Familie aus. In Brooklyn und New Jersey machte der Sohn Karriere. Er gehörte zur Band The Fugees, trat mit Shakira beim WM-Finale 2006 in Berlin auf und gewann einen Grammy. Seinem Geburtsland blieb der Emigrant immer treu, auch seine Frau Claudinette stammt von dort. Begleitet von karibischen Rhythmen, betätigt er sich auch als eine Art Sozialaufklärer. Der Clip "Sweetest girl" über die Ausbeutung wurde in Flüchtlingscamps gezeigt, zu "No woman, no cry" fuhr er durch die Slums von Cité Soleil.

Gegner schmähen ihn als Ausländer, der nur halbwegs Französisch und leidlich Kreolisch spreche. Der scheidende Staatschef René Préval aber ernannte ihn zum außerordentlichen Botschafter. Einen übermächtigen Rivalen hat die Politkaste nicht zu bieten, Préval darf nicht mehr antreten. "Ich bin kein naiver Idealist", sagt Wyclef Jean, er könne Diaspora und Elite zusammenbringen.

Das Lebensgefühl des Hip-Hop erreicht vor allem die junge Hälfte der Bevölkerung. Seine Bewegung "Face à Face" propagiert Arbeit, Erziehung, Investitionen. Die Landwirtschaft will er stärken und die überfüllten Ruinen von Port-au-Prince lichten. "Statt Milliarden für den Krieg zu verschwenden, könnten wir das Geld für die Armen ausgeben", heißt es in "If I was president". Der Refrain indes geht so: "Wenn ich Präsident wäre, dann würde ich am Freitag gewählt, am Samstag ermordet und am Sonntag beerdigt."

© SZ vom 05.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Prominente in Amt und Würden
:Die schrägsten Politiker

Komiker Beppe Grillo will Ministerpräsident in Italien werden. Dabei ist er längst nicht der einzige schräge Typ mit Ambitionen auf politische Ämter. Von Musiker bis Wrestler - ein Überblick in Bildern.

Von Eileen Splitt

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: