Das "Schäfereck" war viele Jahre ein bekanntes Hotel im Umland von Wismar. Jeder, der auf die Insel Poel will, kommt daran vorbei. Als es wegen der Pandemie schließen muss, pachtet der Landkreis das Gebäude, um Geflüchtete unterzubringen. Ehrenamtliche bauen das Restaurant zum Speisesaal um, beziehen Betten. Bis zu 140 Menschen können hier unterkommen. In der Nacht zum Donnerstag ist das Haus mit dem Reetdach niedergebrannt. Die 14 Bewohner und drei Betreuer können sich retten. Der Landrat vermutet Brandstiftung, der Staatsschutz ermittelt. Andrej Bondartschuk arbeitet für das DRK, ist der Leiter des Heimes, stammt selbst aus der Ukraine. Ein Gespräch über den Schock, erneut fliehen zu müssen, und die Frage: wie weiter?
SZ: Herr Bondartschuk, wie geht es den Menschen, die sich vor dem Brand in Sicherheit bringen mussten?
Andrej Bondartschuk: Ich würde sagen, die Lage ist stabil. Die Bewohner erholen sich langsam von dem Schock. Aber natürlich ist es hart, wenn man glaubt, endlich vor dem Krieg in Sicherheit zu sein, und dann muss man doch wieder Hals über Kopf fliehen, mitten in der Nacht um sein Leben zu fürchten. Im Vordergrund steht jetzt die Sorge um wichtige Dokumente wie Reisepässe und Besitzurkunden. Manche Bewohner hatten Häuser in der Ukraine oder Grundstücke. Einige Zimmer der Unterkunft sind komplett abgebrannt, das ganze Haus ist einsturzgefährdet. Ich fürchte, dass einige erneut alles verloren haben.
Mitte März sind die ersten Ukrainerinnen in das einstige Hotel gezogen. Wer sind die Menschen, die dort gelebt haben?
Das ist ganz unterschiedlich, Familien, ältere Menschen, Kinder sind auch darunter. Wir waren sehr glücklich über die Möglichkeit, ihnen hier ein Ankommen zu ermöglichen, in der Natur, nicht weit weg von der Ostsee. Einige der Bewohner sind erst vor drei Tagen angereist, andere schon länger untergebracht und auf Wohnungssuche. Noch am Tag des Brandes sollten nachts Leute einziehen. Zum Glück haben sie das nicht getan.
Wann haben Sie gemerkt, dass ein Feuer ausgebrochen ist?
Es war ein ganz normaler Abend, ich bin länger im Büro geblieben. Gegen neun Uhr ging dann der Feueralarm los. Ich bin sofort losgerannt, um zu schauen, wo es brennt, aber anfangs waren keine Flammen zu sehen, auch kein Rauch. Dann sind auf der Straße Passanten zusammengekommen, haben gerufen "Alle raus, sofort!" Ein Teil meines Teams hat bei der Evakuierung geholfen, ich und andere haben uns Feuerlöscher geschnappt. Anwohner haben die Feuerwehr alarmiert. Zunächst sah es so aus, als würden wir die Situation schnell unter Kontrolle bekommen. Nicht einmal Glutnester waren noch zu sehen. Die Feuerwehr wollte schon Entwarnung geben, aber zehn Minuten später waren die Flammen überall. Das ist das Problem mit Reetdächern: Sie schützen gut vor Wasser, leider auch vor Löschwasser.
Am vergangenen Wochenende hatten Unbekannte ein Hakenkreuz auf ein Schild vor der Unterkunft geschmiert. Noch am Tag des Brandes war die Polizei vor Ort, um über Schutzmaßnahmen wie einen zusätzlichen Zaun zu beraten. Fühlten sich die Menschen aus der Ukraine in Groß Strömkendorf willkommen?
Wir haben uns wie zu Hause gefühlt. Mit der Gemeinde sind wir immer sehr gut klargekommen, auch die Zusammenarbeit mit den Bewohnern des Dorfes ist sehr eng. Im Sommer erst haben wir ein Kinderfest veranstaltet, das war großartig, mit Tauziehen und allem. Wir standen kurz davor, einen Spielplatz an der Unterkunft einzuweihen. Ein Projekt für deutsche und ukrainische Kinder, damit auch die Eltern sich besser kennenlernen können. Wir haben sehr lange um Sponsoren kämpfen müssen, hatten schon angefangen, alles aufzubauen. Die Wippe, ein Spielhaus - seit gestern ist erst mal alles vorbei.
Sie stammen selbst aus der Ukraine, leben seit 2004 in Wismar. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges wird auch in Mecklenburg-Vorpommern montags demonstriert, für Verhandlungen mit Russland und die Aufhebung der Sanktionen. Glauben Sie, dass die Stimmung kippt?
Ich bin hier zur Schule gegangen, habe als Maschinenbauingenieur auf der inzwischen insolventen Werft gearbeitet. Persönlich habe ich weder in der Vergangenheit noch seit Beginn des Krieges etwas gespürt, das in Richtung von Anfeindungen oder rechtsextremer Bedrohung geht. Natürlich habe ich im Internet über die Demonstrationen gelesen, aber ich habe nicht geglaubt, dass das für uns gefährlich sein kann. Wir haben das nicht kommen sehen.
Wie geht es jetzt für Sie und die Bewohner weiter?
Wir machen das, was wir immer tun. Wir versorgen die Menschen mit dem, was sie brauchen, mit Klamotten zum Beispiel, damit sie nicht frieren. Viele sind ja nur mit dem rausgelaufen, was sie am Körper hatten. Ich kann sagen, dass wir aus allen Ecken Hilfe erfahren, von Anwohnern, der Politik. Der Landkreis hat uns schon bestätigt, dass Wohnungen zur Verfügung stehen. Alle haben sofort reagiert. Die Solidarität ist groß hier, das darf man nicht vergessen.