Energiewende:Disco unterm Windrad

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Unterschätzte Gefahr? Vollmond hinter Windkraftanlage in Dachau. (Foto: Niels P. Joergensen)

Stört der bei Mondlicht erzeugte Schlagschatten einer Windenergieanlage den Greifvogel Rohrweihe bei der Brut? Ein möglicher Erlass in Brandenburg erregt die Windbranche.

Von Thomas Hummel

Gründe, warum ein Windrad nicht gebaut werden darf, gibt es genug. Etwa, weil ein Brutpaar einer gefährdeten Vogelart in der Nähe sein Nest baut - dann besteht Kollisionsgefahr. Stichwort Artenschutz. Oder weil der durch Sonnenlicht verursachte Schlagschatten der Rotoren zu lange auf eine Ortschaft oder ein Dorf trifft. Dabei können Lichtreflexe entstehen, der sogenannte "Discoeffekt".

Kaum jemand will sich kurz nach Sonnenaufgang fühlen, als hätte er in einer Tanzbar übernachtet. Deshalb wird für jeden möglichen Windrad-Standort sommers wie winters der Lauf der Sonne berechnet und wohin der Rotorschatten fallen würde. Als zumutbar gilt laut der Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) eine "Beschattungsdauer" von bis zu 30 Stunden pro Jahr und 30 Minuten pro Tag, errechnet für immerzu blauen Himmel. Als Maßstab, so heißt es, sei dabei eine "durchschnittlich empfindliche Person" zugrunde gelegt worden.

Solche Prüfungen sind inzwischen Standard. Doch nun erregt ein Papier im Bundesland Brandenburg die Gemüter der Windbranche. Darin geht es unter anderem um den Schattenwurf bei Mondlicht. Und um die Rohrweihe, einen geschützten Greifvogel.

Hintergrund ist, dass die Ampelregierung in Berlin das Bundesnaturschutzgesetz angepasst hat, damit für Gerichte klarer wird, wo Windanlagen stehen sollen und wo nicht. Bundeseinheitliche Standards sollen langjährige Prüfverfahren zumindest verkürzen und die Energiewende voranbringen. Doch so einfach ist das nicht. Zumindest nicht überall.

Das Umweltministerium in Brandenburg arbeitet nun an einem Erlass, wie das neue Gesetz im Detail anzuwenden sei. Im aktuellen Entwurf geht es auch um die Rohrweihe. Der Bestand dieser Vögel sei in Brandenburg "stark abnehmend", zwischen 1995 und 2020 um 30 Prozent. Zuletzt hätten dem Vogel die Trockenphasen besonders zugesetzt, denn er brütet gerne an kleinen Gewässern. Laut Entwurf stellen Windanlagen im Nestumfeld eine zusätzliche Beeinträchtigung dar. Unter anderem wegen "Staubentwicklung" durch Fahrten auf den Wegen zum Windrad bei Reparatur- und Wartungsarbeiten. Oder eben durch Schlagschatten, auch nachts.

Die Fachwelt reagiert überrascht. "Das habe ich so noch nicht gehört", sagt Dirk Sudhaus, Artenschutz-Experte bei der Fachagentur Windenergie an Land. Die beiden Aspekte wiesen auf das in der EU-Vogelschutzrichtlinie festgehaltene Störungsverbot von geschützten Arten hin, meint er. Das hat bislang keine große Rolle gespielt bei der Genehmigung von Windrädern, könnte aber künftig häufiger aufgegriffen werden. Vor allem von Windkraft-Gegnern.

Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Bundesverbandes Windenergie, klagt: "Solche Absurditäten brauchen wir nicht." Zwölf Unternehmen aus der Branche schickten einen Appell nach Brandenburg, das Papier grundlegend zu überarbeiten. Ein Sprecher des dortigen Umweltministeriums erklärt, man wolle die Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen beschleunigen und gleichzeitig die europarechtlich verankerten Artenschutzvorschriften einhalten. Schriftliche Einwendungen gegen den Entwurf würden ausgewertet.

Ob sich wirklich eine durchschnittlich empfindliche Rohrweihe gestört fühlt, wenn sich nachts ein Windrad vor dem Mondschein dreht? Das wird vielleicht demnächst ein Gericht klären müssen.

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