Gut vier Wochen lang durften Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte des Maria-Sibylla-Merian-Gymnasiums in Krefeld wieder in den vollen Präsenzunterricht. Endlich waren die Corona-Zahlen gesunken. Doch nun musste die Schule an den letzten drei Tagen vor den Sommerferien schon wieder schließen. Grund war diesmal kein Virus, sondern ein heftiges Gewitter mit Starkregen. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch seien "große Teile des Schulgebäudes voll Wasser gelaufen und daher nicht benutzbar", steht auf der Internetseite des Gymnasiums.
Ähnliche Erfahrungen machten in den vergangenen Wochen Menschen in allen Teilen Deutschlands. Im niederbayerischen Landshut wurde die Altstadt geflutet. In den Kreisen Segeberg und Steinburg in Schleswig-Holstein setzte starker Regen Hunderte Keller unter Wasser. Auch Brandenburg klagte über Wassermassen. In Stuttgart deckte ein Sturm Teile des Dachs auf dem Opernhaus ab. Noch schlimmer hatte es vergangene Woche Tschechien getroffen, nahe dem Dreiländereck mit Österreich und der Slowakei verwüstete ein Tornado einige Dörfer, mehrere Menschen kamen uns Leben, es gab etwa 200 Verletzte.
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Die Frage lautet nun: Ist das alles noch normal? Oder wirkt hier bereits die Erderwärmung? Lange Zeit traute sich die Forschung nicht, Aussagen zu treffen, weil die Datenlage zu dünn war und vor allem lokale Gewitter von Messgeräten oft nicht analysiert werden konnten. Doch jetzt sagt Andreas Friedrich, Sprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD): "Es gibt eine Tendenz, dass in Deutschland solche Gewitter mit Starkregenereignissen häufiger auftreten." Dies zeigten die Werte eines Radarverbundsystems, das seit 20 Jahren lückenlos die Niederschlagsereignisse im Land aufzeichne.
111,1 Liter Regen pro Stunde und Quadratmeter. Das ist nicht mehr normal
Mehr als 25 Liter pro Stunde pro Quadratmeter gilt als Starkregen, mehr als 40 Liter als extremer Starkregen. "Auch in der Spitze sind die Unwetter heftiger geworden", sagt Friedrich. In Itzehoe, Schleswig-Holstein, regnete es in der Nacht zu Donnerstag pro Stunde und Quadratmeter 111,1 Liter - ein Ereignis, das dort statistisch nur einmal in hundert Jahren vorkommt.
Die Entwicklung passt zu den physikalischen Annahmen einer wärmeren Atmosphäre. Diese kann mehr Feuchtigkeit speichern, Gewitterwolken saugen sich gerade im Sommer stärker auf als früher, enthalten potenziell mehr Wasser. Wo es dann abregnet, kann es zu Überflutungen kommen. Nach drei Hitze- und Dürrejahren hat es in den vergangenen Wochen Mitteleuropa getroffen. Ursache ist eine sogenannte Omega-Wetterlage, die sich über dem Nordatlantik gebildet hat. Dort steht ein Hochdruckgebiet, um dieses herum kreisen Tiefdruckgebiete.
Da sich der Jetstream über der Nordhalbkugel durch die Erderwärmung abgeschwächt habe, "verlangsamen sich die Wetterlagen", sagt Peter Hoffmann, Meteorologe am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Das Tiefdruckgebiet über Deutschland steht also, statt sich weiterzubewegen, der Wetterdienst gibt seit Wochen fast täglich Unwetterwarnungen heraus. Nach einer Pause bis Samstagnachmittag soll es laut Vorhersage im Westen und in Alpennähe wieder losgehen. Gewitter und auch Starkregen sind erneut möglich.