Westerwelle in der Türkei:Das unbekannte Wesen

In der Koalition ist der EU-Beitritt der Türkei umstritten. Dennoch empfangen die Türken den neuen Außenminister der Liberalen besonders freundlich - aus einem einfachen Grund.

Christiane Schlötzer

Deutsche Politiker werden in der Türkei meist mit ausgesuchter Höflichkeit empfangen. Die Aufmerksamkeit für den neuen deutschen Außenminister übertraf jedoch das Übliche. Das hat gute Gründe.

FDP-Chef und Außenminister Guido Westerwelle auf Türkei-Besuch. (Foto: Foto: AFP)

Die deutschen Liberalen waren für die Türken bislang unbekannte politische Wesen. Rasch aber hat die Regierung in Ankara gemerkt, was sie an Westerwelle hat, nämlich einen Chefdiplomaten, der seine neue Rolle genießt und deshalb auch gar nicht vorhat, die Linie der Berliner Außenpolitik zu verändern.

Und die lautet seit Joschka Fischer und Frank-Walter Steinmeier: Die Türkei kann Mitglied der EU werden, aber wann, ist offen. Es kann auch am St. Nimmerleinstag sein.

Westerwelle macht es zudem gar nichts aus, seine türkeiskeptischen Koalitionspartner in Berlin und damit auch die Bundeskanzlerin herauszufordern, durch ein besonders schneidiges Auftreten in Ankara zum Beispiel, wo man Selbstbewusstsein zu schätzen weiß. Dass sich die CSU insbesondere deshalb über den Vizekanzler ärgert, kommt dem nur gelegen. Schließlich dient dies der eigenen Profilierung.

In der Sache aber hat Westerwelle, was Ankara betrifft, recht. Erstmals seit Jahrzehnten, vielleicht überhaupt in ihrer Geschichte, macht die Türkei eine global orientierte Außenpolitik, die auf die Lösung von Konflikten zielt. Der Türkei gerade jetzt die EU-Perspektive zu nehmen, wäre höchst unklug, zumal auch Europa von guten Beziehungen zu Ankara profitiert.

Ein Abbruch der EU-Gespräche, wie er von Teilen der Union gefordert wird, würde zudem all jene in der Türkei vor den Kopf stoßen, die in Europa den Garanten für eine weitere Demokratisierung ihres Landes sehen.

© SZ vom 08.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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