Super Bowl:14 Millionen Dollar pro Minute

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Was die Werbung während des wichtigsten Sportereignisses der USA über das Land verrät.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Ja, es gibt sie schon noch, die sentimentale und deshalb so unfassbar amerikanische Reklame beim Football-Endspiel Super Bowl: ein Pferd, wegen einer Fußverletzung dem Tod geweiht, verweigert die Kapitulation, steht zu Blitz und Donner auf und galoppiert, zum E-Gitarren-Riff der US-Hymne, gemeinsam mit einem treuen Hund über die Steppe. Der unironische Slogan mit Home-of-the-Brave-Hinweis: "In der Heimat der Tapferen ist am Boden sein nicht das Ende." Es ist Werbung für: eine Brauerei.

Reklame beim Super Bowl ist Schaulaufen des Spätkapitalismus (eine Werbeminute kostet in diesem Jahr 14 Millionen Dollar), sie bietet aber immer auch einen Einblick ins Innenleben der Amerikaner. Die können sich ja auf kaum noch was einigen, der Sonntag mit uramerikanischen Tätigkeiten (Fressen, Saufen, Football-im-TV-Gucken, dazu Halbzeit-Popkultur-Show) ist eine Ausnahme, und weil viele Amerikaner (erwartet werden mehr als 100 Millionen) zuschauen werden, muss Werbung den Nerv vieler treffen.

Die Pferde-Lazarus-Geschichte ist dabei die Ausnahme, die Kombination aus Patriotismus und Nicht-Aufgeben geht immer in diesem Land, ansonsten gibt es eine deutliche Abkehr von den Zusammen- und Durchhalteparolen des vergangenen Pandemie-Endspiels. Es soll nun wieder heiter zugehen, also wird zum Beispiel Arnold Schwarzenegger die griechische Gottheit Zeus geben und sich mit dieser Persiflage ein bisschen dringend benötigte Selbstironie zulegen. Promis sind stets gefragt bei Super-Bowl-Filmen, diesmal dabei: Scarlett Johansson, Gwyneth Paltrow, Salma Hayek.

Fröhlich, positiv und zukunftsorientiert sollen sie sein, die Reklamefilme, sie geben damit auch einen Hinweis darauf, welchen Branchen es gut geht gerade, wenn sie nicht nur den Preis für diese Werbeminute zahlen, sondern auch einen kreativen Spot mit Promis produzieren lassen; das kostet einen zweistelligen Millionenbetrag obendrauf. Es gibt die Klassiker Autos, Bier und Snacks (Es ist nun mal Ziel vieler Amerikaner, während des Spiels ihr Gramm-Körpergewicht in Kalorien zu essen). Es gibt allerdings signifikante Variationen.

Schwarzenegger wirbt für ein Auto, aber eben für ein Elektro-Fahrzeug. Budweiser wirbt nicht nur für Bier, sondern für die kalorienärmeren Hard-Seltzer-Produkte; eine Schnapsbrennerei für die frischen Früchte in einer Bowle. Auch dabei: die Tech-Konzerne Amazon und Uber, Gewinner der Pandemie, sowie der Hersteller einer Barbecue-Sauce, der das Hype-Produkt Non-fungible token (NFT) als essbare Variante feilbietet und dafür die Spaß-Cryptowährung Bonecoin einführen will. Dazu passt, dass sie die Arena im Stadtzentrum von Los Angeles, wo all das Vorgeplänkel stattfindet, von Staples Center in crypto.com-Arena umbenannt haben: statt Einzelhandel für Büroartikel ein Handelsplatz für Kryptowährungen.

Da sind sie wieder, nach Jahren des Jammerns und des Streits: die USA, die sich selbst feiern und auf eine grandiose Zukunft setzen. Das kann man doof finden, oder aber feststellen: In diesem Land ist am Boden sein eben nicht das Ende.

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