Einmal mehr scheint die Welt Donald Trump falsch verstanden zu haben. Diesen Eindruck erweckt zumindest Präsidentensprecher Sean Spicer - drei Tage nach dem vergifteten G-7-Gipfel im italienischen Taormina und zwei Tage nach einer Rede von Angela Merkel in einem bayerischen Bierzelt. Dort hatte die deutsche Kanzlerin nahegelegt, dass Europa stärker für sich selbst sorgen müsse. Jetzt sagte Spicer in Washington: Amerika und Deutschland hätten eine hervorragende Beziehung - und auch Trump und Merkel verstünden sich sehr gut.
Entgegen der allgemein vorherrschenden Deutung wertete er die Äußerungen der deutschen Kanzlerin nicht als Kritik am US-Präsidenten, sondern als Bestätigung von dessen Kurs. Die Aussagen der Kanzlerin seien "großartig", sie entsprächen genau dem, "was der Präsident gefordert hat", sagte der Trump-Sprecher - damit bezog er sich auf Merkels Äußerung, dass Europa sein Schicksal selbst in die Hand nehmen müsse. "Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei", hatte Merkel am Samstag gesagt. Spicer deutete dies am Dienstag als Beleg dafür, dass Trump "Ergebnisse erzielt" - immer mehr Länder erhöhten nun ihren Anteil an den gemeinsam zu tragenden Lasten.
Klimapolitik:Trumps Werk der Zerstörung
Die Welt kann den Ausstieg der USA aus dem Klimavertrag eine Zeit lang verkraften. Langfristig wären die Folgen aber fatal.
Kurz zuvor hatte Trump selbst noch sehr viel weniger versöhnlich geklungen. Auf Twitter kritisierte er abermals den deutschen Handelsüberschuss. "Wir haben ein massives Handelsdefizit mit Deutschland, und sie zahlen weitaus weniger als sie sollten für Nato und Militär." Er fügte hinzu: "Sehr schlecht für die USA. Das wird sich ändern." Neu sind diese Vorwürfe an die Adresse Deutschlands nicht. Trump erhebt sie seit dem Wahlkampf immer wieder. Mit der Bekräftigung seiner Kritik dürfte Trump die seit seiner Europareise bestehenden Irritationen im Verhältnis zu Berlin jedoch weiter verschärfen.
Nicht die erste Misskommunikation zwischen Trump und seinen Mitarbeitern
Vielleicht war sein Sprecher deshalb um versöhnliche Worte bemüht? Spicer jedenfalls beschrieb die Beziehung zwischen Trump und Merkel als "ziemlich unglaublich", sie kämen "sehr gut" miteinander aus. Trump habe großen Respekt vor der Kanzlerin und sehe Deutschland wie das übrige Europa als Verbündeten. Während des G-7- sowie des Nato-Gipfels habe Trump bekräftigt, dass er "die transatlantische Beziehung vertiefen und verbessern" wolle. In der Vergangenheit hatten sich Trump und seine führenden Mitarbeiter immer wieder öffentlich widersprochen.
Die Äußerungen der Kanzlerin hatten in den US-Medien breiten Widerhall gefunden und waren dort ebenso wie in Deutschland als Kritik an der mangelnden Verlässlichkeit der Trump-Regierung verstanden worden. Merkel selbst sagte nun dazu, sie habe lediglich darauf hingewiesen, "dass es angesichts der augenblicklichen Situation noch mal mehr Gründe gibt, dass wir unser Schicksal in Europa alleine in die Hand nehmen müssen". Dies ändere aber nichts daran, dass den transatlantischen Beziehungen "überragende Bedeutung" zukomme, betonte sie bei einem Treffen mit dem indischen Regierungschef Narendra Modi in Berlin.
Gabriel spricht von "Ausfall der Vereinigten Staaten"
Merkel, Trump und Spicer sind nicht die Einzigen, die zu den Vorgängen der vergangenen Tage eine Meinung haben. Zu Wochenbeginn äußerte sich auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel zum Stand der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Der SPD-Politiker sprach von einem "Ausfall der Vereinigten Staaten" auf der Weltbühne und nannte die US-Politik "kurzsichtig".