Slowakei:Wahlkampf mit Tanz, Gulasch und Festnahmen

Lesezeit: 3 min

Schon zwei Mal hat Robert Fico die Slowakei regiert - bis er 2018 auf Druck der Bevölkerung zurücktrat. (Foto: Mateusz Wlodarczyk/imago)

Die Slowakei ist geplagt von Regierungskrisen - und jetzt will ein alter Bekannter zurück an die Macht: Ex-Ministerpräsident Robert Fico. Das wäre auch für die EU ein Problem.

Von Viktoria Großmann, Warschau

Nach dem Wahltag sollen die Medien zwei Wochen stillschweigen. So stellt sich Robert Fico die Slowakei nach seinem Sieg vor. Schließlich müsste dann erst einmal in Ruhe verhandelt werden. Kompromisse allerdings seien nicht gut für das Land, einer müsse eine klare Linie vorgeben, und das ist natürlich er, Fico. Robert Fico hat das Land schon insgesamt zehn Jahre als Premier regiert, 2020 verlor seine Partei die Wahl, seither ist er Oppositionsführer. Nun will er zurück an die Macht. Und er hat Grund, sich Chancen auszurechnen.

Am 30. September finden in der Slowakei vorgezogene Parlamentswahlen statt, deshalb gibt es auch während der Schulferien Wahlkampf. Nicht nur mit Folkloretanz, Limo und Gulasch. Auch mit Festnahmen, Korruptionsermittlungen und einem Machtkampf innerhalb der Sicherheitsbehörden.

Fünf Wochen vor der Wahl hat die geschäftsführende Expertenregierung den Chef des Inlandsgeheimdienstes SIS abgesetzt. Michal Aláč war zuvor von der auf Korruptionsermittlungen spezialisierten Behörde Naka festgenommen worden. Ihm wird vorgeworfen, an einer kriminellen Verschwörung beteiligt zu sein, die polizeiliche Untersuchungen behindern sollte.

Beim Mord am Journalisten Kuciak führten Spuren bis zu Fico, bewiesen wurde ihm nichts

Bei Razzien hatte die Naka-Behörde weitere Mitarbeiter des SIS und der Nationalen Sicherheitsbehörde NBÚ festgenommen und verhört. Eine Woche zuvor war bereits der frühere Polizeipräsident Tibor Gašpar vorläufig festgenommen worden - nicht zum ersten Mal.

Robert Fico wütete gegen Präsidentin Zuzana Čaputová und die von ihr eingesetzte Expertenregierung um Ľudovít Ódor, sprach von Machtmissbrauch, Umsturzversuchen und verglich Präsidentin und Premier mit dem brutalen chilenischen Militärjunta-Chef Augusto Pinochet. Auch gegen die Staatsanwaltschaft unter Spezialstrafverfolger Daniel Lipšic richtete sich die Wut von Fico und seinen Anhängern.

Es sind seit Jahren dieselben Lager, die hier gegeneinander kämpfen. Robert Fico und Tibor Gašpar kennen sich gut. Sie waren beide 2018 von ihren Ämtern zurückgetreten - auf erheblichen Druck aus der Bevölkerung. Nach der Ermordung des jungen Journalisten Ján Kuciak und dessen Freundin im Februar 2018 hatten in der Slowakei so viele Menschen wochenlang gegen ihre Regierung demonstriert wie seit 1989 nicht mehr. Daniel Lipšic, heute Staatsanwalt, hatte ebenso wie Kuciak Morddrohungen erhalten, war ausspioniert worden - von denselben Leuten, die Kuciak verfolgt hatten. Als Anwalt der Nebenklage vertrat er später im Prozess die Eltern Kuciaks.

Die einst sozialdemokratische Partei ist nun rechtspopulistisch und prorussisch

Fünf Jahre später sieht es so aus, als könnten Fico und seine Leute zurückkehren. Die Ermittlungen der vergangenen Jahre und die aktuellen Razzien zeigen immerhin, dass Fico zu Recht Angst hat, irgendwann noch strafrechtlich belangt zu werden. Auch die Spuren im Mordfall Kuciak führten letztlich bis zu ihm, bewiesen wurde ihm bisher nichts. Im Frühjahr 2022 war Fico selbst kurzzeitig in Haft gewesen, wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Der frühere Polizeipräsident Gašpar jedenfalls kandidiert auf Platz neun der Wahlliste von Ficos Partei Smer-SD.

"Stabilität, Ordnung, soziale Sicherheit" verspricht die Smer-SD, die sozialdemokratisch sein soll, aber von Fico in den vergangenen Jahren zu einer rechtspopulistischen, russlandfreundlichen Partei umgeformt wurde. Fico hatte lautstark Proteste gegen Corona-Maßnahmen angeführt und kritisiert nun EU, Nato und die eigene Regierung für Waffenlieferungen an die Ukraine.

Sie musste schon drei Regierungschefs und eine Menge Minister entlassen: Die slowakische Staatspräsidentin Zuzana Čaputová. (Foto: Radovan Stoklasa/REUTERS)

Turnusgemäß wäre der nächste Wahltermin erst im Frühjahr 2024 gewesen. Doch allein seit 2020 sah das Land drei verschiedene Premierminister, Präsidentin Zuzana Čaputová entließ und ernannte eine unübersichtliche Anzahl an Ministern und Ministerinnen. Schließlich setzte sie in diesem Frühling eine Expertenregierung ein.

Wie wird sich ein früherer Weggefährte entscheiden?

Streit, Scheitern, Versagen - das beschreibt die Arbeitsweise der wechselnden Regierungskabinette seit 2020 schon recht gut. Wenn Fico all das immer wiederholt, hat er nicht unrecht - und er profitiert davon. Denn seit Monaten führt seine Partei die Umfragen an, allerdings mit gerade mal 20 Prozent. Für einen, der alles selbst bestimmen will, reicht das nicht aus.

Optimisten verweisen deshalb auf das Lager derer, die zumindest laut den Umfragen demokratische Parteien wählen wollen. Doch so viele sind das auch wieder nicht, die Parteienlandschaft ist in der Slowakei stark zersplittert, immer wieder bilden sich neue Formationen. Und ins Parlament schaffen es vermutlich auch erneut Rechtsextreme sowie weitere rechtspopulistische Parteien.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alles, was Sie heute wissen müssen: Die wichtigsten Nachrichten des Tages, zusammengefasst und eingeordnet von der SZ-Redaktion. Hier kostenlos anmelden.

Aufhorchen lässt aber vor allem die Haltung von Ficos Amtsnachfolger Peter Pellegrini. Dieser war bis 2020 Ministerpräsident und Mitglied in Ficos Partei. Dann löste er sich von ihm und gründete seine eigene, ebenfalls sozialdemokratisch ausgerichtete Partei Hlas (Stimme). In Umfragen fiel sie zuletzt auf Platz drei. Lange Zeit versuchte Pellegrini, den Eindruck zu erwecken, sich von Fico distanziert zu haben, wies eine mögliche Zusammenarbeit der Parteien zurück. Gab sich proeuropäisch. Doch nach den Razzien und Festnahmen wirft er der Regierung und der Präsidentin ebenfalls Wahleinmischung vor. Von einer möglichen Koalitionsbildung nach der Wahl distanziert sich die Partei nun nicht mehr.

Gegen Fico und Pellegrini tritt die Partei Progresívne Slovensko mit einem liberalen, EU-nahen Kurs an - sie legte zuletzt in den Umfragen kontinuierlich zu und liegt nun auf Platz zwei.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusRussische Oppositionelle
:Wir bleiben

Viele Künstlerinnen, Politiker und Anwälte haben Russland verlassen. Zu groß ist der Druck auf Oppositionelle, zu hart der Alltag unter Wladimir Putin. Manche aber wollen nicht ins Exil. Was hält sie zu Hause, was hält sie am Leben? Fünf Geschichten

Von Silke Bigalke (Text) und Stefan Dimitrov (Illustration)

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: