Israels Premierminister Benjamin Netanjahu kann den Prognosen zufolge nach der Parlamentswahl keine Regierung aus rechten und religiösen Parteien bilden. Er wäre zur Regierungsbildung auf die nationalistische Partei "Unser Haus Israel" von seinem Rivalen Avigdor Lieberman angewiesen. Aber Lieberman kündigte noch am Wahlabend an, dass er dafür nicht zur Verfügung stehe. Netanjahu gab sich dennoch in der Nacht auf Mittwoch siegesgewiss und erklärte, dass Israel eine starke zionistische Regierung brauche, um weiterhin gut mit seinem "Freund Donald Trump" zusammenzuarbeiten.
Netanjahus Likud lag nach ersten Berichten gleichauf mit dem blau-weißen Oppositionsbündnis von Benny Gantz. In einigen Prognosen lag Blau-Weiß sogar knapp vor dem rechtsnationalen Likud. Verlässliche Zahlen soll es aber erst im Laufe des Mittwochs geben.
Der rechte Block erhielt offenbar mehr Stimmen als das Mitte-links-Lager ohne die arabischen Parteien. Aber die Ausgangslage zur Regierungsbildung ist für Netanjahu noch schlechter als nach der Wahl im April. Sein Likud, die Partei Neue Rechte und die ultraorthodoxen Parteien Schas und "Vereinigtes Thora-Judentum" sind zusammen diesmal noch weiter von jenen 61 Sitzen entfernt, die eine Mehrheit in der Knesset bedeuten. Die Wahlbeteiligung lag höher als noch im April.
Wahlen in Israel:Netanjahu hat sich verkalkuliert
Die Ausgangslage für den israelischen Ministerpräsidenten hat sich mit der Wahl verschlechtert. Macht sein Konkurrent Ernst, könnte Netanjahus Ära vorbei sein.
Liebermans nationalistische Partei "Unser Haus Israel", die wegen des ihrer Ansicht nach zu großen Einflusses der Religiösen den Koalitionseintritt verweigerte, konnte deutlich zulegen. Auch die vier arabischen Parteien, die diesmal wieder vereint als Gemeinsame Liste eintraten, fuhren ein deutlich höheres Ergebnis als im April ein.
Präsident Reuven Rivlin wird nach Konsultationen mit Vertretern der Parteien jenen Politiker mit der Regierungsbildung beauftragen, dem er das am ehesten zutraut. Für diese Gespräche hat er zwei Wochen Zeit. Nach dem Auftrag läuft die Uhr: Binnen 42 Tagen muss eine neue Regierung stehen.
Gantz hat sich bereits für die Bildung einer großen Koalition ausgesprochen. Man müsse geduldig auf die endgültigen Ergebnisse der Wahl warten, sagte Gantz in der Nacht zum Mittwoch vor jubelnden Anhängern. Dennoch werde man umgehend Kontakte zur Bildung einer "breiten Einheitsregierung" aufnehmen. Er wolle in den kommenden Tagen mit Lieberman und weiteren möglichen Partnern sprechen, sagte Gantz. Sein Ziel sei es, die israelische Gesellschaft wieder zu einen.
Gantz war allerdings bisher nur zu einer großen Koalition ohne Netanjahu als Regierungschef bereit. Als Grund nannte er die Korruptionsvorwürfe gegen den 69-Jährigen, der seit 2009 Ministerpräsident ist. Nach einer Anhörung im Oktober droht Netanjahu eine Anklage in drei Korruptionsfällen.
Auch Lieberman sprach sich noch am Wahlabend für eine Einheitsregierung von Likud, Blau-Weiß und seiner Partei aus. Selbst wenn "Unser Haus Israel" nicht beteiligt werde, sei er dafür. Denn das Land befinde sich "in einer Notsituation".
20 000 Polizisten im Einsatz
Nach Einschätzung des Politologen Jonathan Freeman von der Hebrew University in Jerusalem wird nach langen Verhandlungen diese Einheitsregierung herauskommen: "Benny Gantz will das, auch viele in der Likud-Partei. Netanjahu will ebenfalls so eine Regierung: Tief drinnen in ihrem Herzen wollen sie das, auch wenn sie es nicht sagen."
20 000 Polizisten waren am Dienstag im Einsatz - so viele wie noch nie an einem Wahltag. Die Polizei nahm bis zum Abend zwanzig Menschen in Zusammenhang mit Wahlbetrug oder Verletzung des Wahlgesetzes fest. Außerdem wurden 69 Verfahren eingeleitet. Landesweit gibt es mehr als 10 700 Wahllokale. Vereinzelt gab es Proteste, weil sich Parteienvertreter als offizielle Wahlbeobachter ausgaben.
Drei Stunden vor Schließung der Wahllokale gab es außerdem einen Cyberangriff auf die Website von Blau-Weiß, die nicht mehr erreichbar war. Facebook sperrte am Dienstag Netanjahus Facebook-Chatbot, nachdem Umfragen publiziert worden waren. Das ist am Wahltag nicht mehr erlaubt. Netanjahu kritisierte Facebook für diese Entscheidung.