Wenn am Dienstag in Kalifornien gewählt wird, stehen die Latinos im Mittelpunkt. Fieberhaft wurde in den vergangenen Wochen versucht, mehr über ihr voraussichtliches Verhalten bei den Präsidentschaftsvorwahlen sowohl der Republikaner als auch der Demokraten herauszufinden: Wie groß ist die Abneigung der "Hispanics" gegenüber Donald Trump wirklich? Kann Hillary Clinton auch dieses Mal auf die Latinos zählen? Oder gelingt ihrem Konkurrenten Bernie Sanders eine weitere Überraschung?
Dass dieser Tage alle drei verbliebenen US-Präsidentschaftskandidaten auffallend häufig in Taco-Restaurants gesichtet wurden statt in Hot-Dog-Buden, hat weniger mit ihrer Vorliebe für mexikanische Küche zu tun als mit der Zusammensetzung der Bevölkerung Kaliforniens. Die Hispanics, rund 15 Millionen Menschen, stellen an der Westküste seit 2014 die Mehrheit.
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In einer Rede geht Hillary Clinton ihren Rivalen Donald Trump ungewohnt deutlich an. Der Angriff setzt den Ton für den bevorstehenden Wahlkampf.
Wahlkampfstrategen sprechen vom "schlafenden Riesen", wenn es um diese Wähler geht. Man weiß vergleichsweise wenig über sie, ihr Einfluss wächst nicht nur in Kalifornien stetig, sondern in den gesamten USA. Ein großer Unbekannter ist der Latino-Wähler aber auch deshalb, weil rund die Hälfte aller Hispanics (48 Prozent) in der Vergangenheit den Vorwahlen fern geblieben sind.
"Die Gemeinschaft der Latinos in Amerika ist so divers wie jede Gruppe", sagt Mark Hugo Lopez vom Pew-Forschungszentrum. "Sie kommen aus unterschiedlichen Ländern und unterschiedlichen sozialen Milieus, sind mal mehr, mal weniger religiös. Und doch fühlen sich die meisten den Demokraten näher", weil viele einen Fürsorgestaat gewohnt seien und die Demokraten wichtige Themen auch besser besetzten: Einwanderung, höhere Mindestlöhne, soziale Absicherung.
Kalifornien gilt als Trophäe
"Barack Obama gewann gegen Mitt Romney 2012 siebzig Prozent aller Latinostimmen", sagt Lopez, und das selbst bei Kubanern und Evangelikalen, die traditionell eher republikanisch wählen. "Der Trend dürfte in diesem Jahr bestehen bleiben."
Für Clinton sind das zunächst gute Nachrichten. Sie hat bei Vorwahlen in Staaten mit hohem Latino-Anteil stets gewonnen - in Florida, Arizona, Texas, in New York. Gemäß Umfragen aber holt ihr Herausforderer Sanders in Kalifornien auf. Gelingt es ihm, die jungen Latinos und die Erstwähler zu mobilisieren, könnte es für Clinton knapp werden.
Ein Sieg von Sanders hätte auf den Nominierungsprozess kaum noch Auswirkung: Clintons Vorsprung ist rein rechnerisch zu groß. Doch Kalifornien als bevölkerungsreichster US-Staat gilt als Trophäe. "Wenn Clinton verliert, ist es mehr als eine weitere Niederlage. Es ist eine Ohrfeige", schrieb die New York Times.
Trump als eigentlicher Gegner Clintons wird am Dienstagabend wissen, wie groß der Schaden ist, den er angerichtet hat. Als er seine Kandidatur vor einem Jahr bekannt gab, beleidigte er die Mexikaner als "Vergewaltiger" und "Kriminelle" und kündigte an, als Präsident eine Mauer zwischen den USA und Mexiko zu bauen.
Trump behauptet zwar, die Latinos liebten ihn, weil er ihnen Jobs verschaffen werde. Die Zahlen sagen aber etwas anderes. Je nach Umfrage lehnen 60 bis 70 Prozent der Latinos Trump ab. Das sind historische Negativwerte für einen republikanischen Präsidentschaftskandidaten.
Dabei wollte es die Partei dieses Jahr besser machen. Nach der Niederlage 2012 verordneten sich die Republikaner ein neues Gewand. Angekündigt war die Öffnung gegenüber Frauen und Minderheiten, vor allem den Latinos. "Anders ist die Wahl nicht zu gewinnen", hieß es in einer 100-seitigen Analyse der verlorenen Wahl.
Trump denkt nicht daran, seinen Ton zu mäßigen
Jeb Bush, Bruder des ehemaligen Präsidenten George W. Bush, entsprach quasi als Reißbrett-Kandidat dieser Anforderung. Ein Konservativer mit Manieren — und einer Latina als Ehefrau. Im Sommer 2015 waren sich die Republikaner sicher, die Hispanics mit Bush zurückzugewinnen. Auch Marco Rubio, der Senator mit kubanischen Wurzeln, wäre daher als Präsidentschaftskandidat passend gewesen.
Doch dann kam Trump. Und der denkt nicht daran, einen gemäßigten Ton anzustimmen. Erst drosch er verbal auf Susana Martinez, Gouverneurin von New Mexico, ein. Dann bezweifelte er den Verstand eines Richters, weil der Mexikaner sei. Die Folge: Viele Latinos unter den Republikanern drehen Trump den Rücken zu.
Zwölf Prozent aller US-Wähler haben hispanische Wurzeln, insgesamt 27,3 Millionen Menschen. Das sind noch einmal vier Millionen mehr als im Jahr 2012. "Die meisten leben in Kalifornien oder Texas", so Hugo Lopez vom Pew-Zentrum. Es sind Staaten, die für die Präsidentschaftswahl weniger wichtig sind, weil sie nicht zu den Swing-States zählen. Es komme auf Florida, Nevada und Colorado an. Dort könnten die Latinos über Sieg oder Niederlage Trumps entscheiden. Sich mit dem schlafenden Riesen anzulegen, so Lopez, "war keine gute Strategie".