Vor der Landtagswahl:Wo Brandenburg und Sachsen boomen - und wo nicht

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Mitarbeiter im BMW-Werk Leipzig arbeiten in der Montage des i8. (Foto: dpa)

Abgehängter Osten? Das trifft längst nicht mehr auf alle Regionen zu. Ein Überblick in Zahlen.

Von Camilla Kohrs, Berlin

Von "blühenden Landschaften" wie sie Altkanzler Helmut Kohl den Ostdeutschen einst versprach, spricht zwar niemand. Wirtschaftlich gleichgezogen zum Westen haben die fünf Bundesländer im Ganzen auch noch nicht. Aber es hat sich doch einiges getan - in Sachsen und Brandenburg, wo am Sonntag neue Landtage gewählt werden.

Sachsen - Vor allem die Großstädte wachsen

Wer etwa sehen möchte, wie erfolgreich Sachsen wirtschaftlich ist, muss nach Leipzig, Dresden und Chemnitz schauen. Etliche Arbeitsplätze sind hier in den vergangenen Jahren entstanden. Während sich in Dresden viele Unternehmen aus dem Bereich der Mikroelektronik angesiedelt haben, ist in Leipzig die Autoindustrie stark. Die gute Wirtschaftsentwicklung ist sicher ein Grund, weshalb es Menschen in die beiden Städte zieht. Im vergangenen Jahr wuchs keine Stadt in Deutschland stärker als Leipzig und auch Dresden kann eine positive Entwicklung verzeichnen. Anders als aber in Brandenburg, wo die Landkreise um Berlin herum von der Nähe zu Deutschlands Hauptstadt profitieren und Bevölkerung gewinnen, profitieren die um Leipzig und Dresden noch nicht so stark.

Die gute wirtschaftliche Entwicklung Sachsens spiegelt sich auch in der Arbeitslosenquote wieder. Das Bundesland gilt im Osten neben Thüringen und Brandenburg als Musterland in Sachen Arbeitsmarkt. Zwar lag die Arbeitslosenquote 2018 mit sechs Prozent über dem deutschlandweiten Wert von 5,2 Prozent, jedoch hatten acht andere Bundesländer noch höhere Quoten.

Der Ost-West-Unterschied macht sich also in den Arbeitslosenzahlen immer weniger bemerkbar, dafür aber umso mehr die Unterschiede zwischen verschiedenen Regionen innerhalb der Länder. In Sachsen sind sie gravierend: Während im Landkreis Görlitz an der polnischen Grenze 8,5 Prozent der Erwerbspersonen keinen Job hatten, waren es im Erzgebirgskreis südlich von Chemnitz nur 4,7 Prozent. Auch bei der Quote der Langzeitarbeitslosen liegt der Landkreis Görlitz mit 3,7 Prozent über dem sächsischen Durchschnitt von zwei Prozent. (Anmerkung: In der Arbeitslosenquote werden einige Menschen nicht erfasst, etwa Langzeitarbeitslose über 58 oder Ein-Euro-Jobber.)

Gerade das Erzgebirge ist bei Touristen sehr beliebt. Dorthin und nach Dresden und Leipzig zieht es Reisende besonders. 2018 war für den sächsischen Tourismus das beste Jahr seit der Wiedervereinigung, insgesamt 8,2 Millionen Besucher zählte der Landestourismusverband. Fast jeder achte Besucher kam aus dem Ausland, vor allem aus den Niederlanden, Polen, Österreich und den USA. Diese besuchen vor allem die Städte Dresden und Leipzig, ländliche Regionen jedoch kaum.

In einem Bereich ist Sachsen Spitze: bei der Bildung. Der IQB-Bildungsbericht von 2016, der von den Kultusministern der Länder in Auftrag gegeben wird und als deutsches Pendant zur PISA-Studie gilt, sieht Sachsen gemeinsam mit Bayern oben auf. Viele Schülerinnen und Schüler erreichen die Regelstandards und nur wenige schneiden in Mathe, Lesen und Zuhören nicht gut ab. Auch der Bildungsmonitor der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) hat den Freistaat bereits 14 Mal in Folge auf dem ersten Platz verortet. Viele Kinder würden außerdem ganztags betreut werden und auch Schüler mit Migrationshintergrund schaffen immer häufiger das Abitur, analysierte die INSM. Die sächsischen Unis und Fachhochschulen ziehen auch viele junge Menschen an. Von den 110 000 Studenten im Wintersemester 2016/17 kamen 60 Prozent gar nicht aus Sachsen.

Vor allem in Dresden und Leipzig leben viele Studenten, aber auch Chemnitz mit seiner Technischen Universität und Freiberg mit seiner Bergakademie sind vor allem bei ausländischen Studierenden beliebt. Die vielen jungen Menschen, vor allem in Dresden und Leipzig, zeigen auch einen Effekt im Durchschnittsalter. Entgegen dem Trend sind beide Stadtgesellschaften von 2007 bis 2017 jünger geworden. In Sachsen insgesamt sieht der Trend anders aus. Lag das Durchschnittsalter nach der Wende noch bei 39,4 Jahren, sind es heute 46,8. In einigen Landkreisen, wie beispielsweise Görlitz, ist die Bevölkerung im Schnitt heute mehr als zehn Jahre älter als noch 1990. Diese Gegenden leiden darunter, dass viele junge Menschen wegziehen. Das höhere Durchschnittsalter hängt aber auch mit der durchschnittlichen Lebenserwartung zusammen: Die ist laut Zahlen des Max-Planck-Instituts seit 1990 um mehr als sieben Jahre gestiegen.

Seit der Wende wanderten mehr Menschen von Ost nach West als in die entgegengesetzte Richtung. Dieser Trend hat sich 2017 zum ersten Mal umgekehrt - und vor allem Brandenburg hat davon profitiert. Im vergangenen Jahr hatte das Bundesland einen Wanderungsgewinn von 15 000 Menschen. Die meisten kommen aus Berlin, aber auch für Menschen aus westdeutschen Bundesländern wie Bayern und Nordrhein-Westfalen ist Brandenburg zunehmend attraktiv geworden. An die ostdeutschen Bundesländer, bis auf Thüringen, verliert Brandenburg hingegen mehr Menschen als kommen.

Durch den hohen Zuzug hat sich die Bevölkerungszahl in Brandenburg stabilisiert, nachdem das Land nach der Wende jahrelang Einwohner verlor. In den 1980ern lebten knapp 2,7 Millionen Menschen hier, heute sind es nur noch 2,5 Millionen. Schaut man sich jedoch die Verteilung an, gibt es ein starkes Gefälle: Besonders die Gemeinden im Speckgürtel von Berlin und die Landeshauptstadt Potsdam profitieren von dem Zuzug. Weiter abgelegene Landkreise wie Spree-Neiße um Cottbus oder die Uckermark im Nordosten haben übermäßig viele Einwohner verloren. Diese Regionen sind vor allem von der Abwanderung junger Menschen betroffen und haben eine sehr alte Bevölkerung.

Die Arbeitslosenquote ist mit derzeit 5,7 Prozent so niedrig wie seit der Wende nicht. In einigen Regionen herrscht beinahe Vollbeschäftigung, von der Ökonomen in der Regel ab einer Quote von weniger als drei Prozent sprechen. Eigentlich kein Wunder, denn die Wirtschaft in Brandenburg wächst seit Jahren, auch dank Berlin. In dem aktuellen KfW-Gründungsmonitor liegt das Bundesland auf dem dritten Platz hinter der erstplatzierten Hauptstadt. Die Brandenburger Wirtschaftsförderung hat 2018 zu ihrem bisher erfolgreichsten Jahr erklärt. An den Rändern ist die Zahl der Arbeitslosen allerdings noch hoch. Mit 10,7 Prozent bildet die strukturschwache Uckermark das Rücklicht. Allerdings haben die Unternehmen mit einem massiven Fachkräftemangel zu kämpfen, vor allem kleine Unternehmer finden keine Bewerber.

Neben der Industrie und der Logistikbranche ist auch der Tourismus eine Wachstumsbranche. Brandenburg wirbt vor allem mit Kulturangeboten, wie in diesem Jahr anlässlich des 200. Geburtstags von Theodor Fontane, und mit seiner Natur. Wanderungen mit Eseln oder Fahrten auf einem Hausboot sollen den Gästen einen entschleunigten und entspannten Urlaub bieten. Vor allem der Camping-Urlaub wird immer beliebter. In den vergangenen Jahren sind die Gästezahlen stetig gestiegen, 2018 kamen mehr als fünf Millionen Menschen nach Brandenburg. Berliner schätzen das Umland für Ausflüge ins Grüne, aber auch die Zahl der internationalen Gäste hat 2018 erstmals die Eine-Million-Marke überschritten. Der größte Anteil kam aus Polen, dann folgten die Niederländer und Briten.

Ein Teil des touristischen Erfolgs machen auch die Naturschutzgebiete aus, die mit acht Prozent Anteil an der Landesfläche über dem bundesdeutschen Durchschnitt (6.3 Prozent) liegen. Kein anderes Bundesland hat mehr Heidelandschaften als Brandenburg. Die Kyritz-Ruppiner Heide ist eine der größten noch zusammenhängenden Heiden in Europa.

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