Vor den Wahlen in Griechenland:Tsipras zittert vor den zornigen Griechen

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Die Wahl am Sonntag dürfte über das Schicksal von Alexis Tsipras (hier im Hintergrund auf einem Wahlplakat) entscheiden. (Foto: dpa)
  • Vor der Wahl in Griechenland liegen die Syriza und die konservativen Nea Dimokratia (ND) nahezu gleichauf.
  • Premier Tsipras hofft trotz aller Kritik, dass seine Partei stärkste Kraft werden kann und dann von einer Besonderheit des griechischen Wahlsystems profitiert.

Von Mike Szymanski, Athen

Folgt man dem Gesetz der Serie, dann dürfte der Linkspolitiker Alexis Tsipras die Wahl in Griechenland am Sonntag verlieren. Wer auch immer in den vergangenen fünf Jahren der Krise ein Sparpaket mit den europäischen Geldgebern ausgehandelt hat, bezahlte dafür früher oder später mit seinem Posten als Regierungschef. Giorgos Papandreou von den Pasok-Sozialisten stürzte 2011 über das erste Hilfspaket für Hellas, der konservative Antonis Samaras im Januar 2015 über die Folgen des zweiten. Bei niemandem aber ist die Fallhöhe so hoch wie beim 41-jährigen Tsipras. Er stellt sich nach nur sieben Monaten zur Wiederwahl.

Tsipras und sein Linksbündnis Syriza hatten den Griechen ursprünglich nicht nur das Ende einer "barbarischen Sparpolitik" versprochen. Sie traten auch mit dem Ziel an, in Europa eine andere, eine linke Politik im Umgang mit verschuldeten Krisenstaaten durchzusetzen. Auf anfängliche Sympathien für die Rebellen aus Athen aber folgte in Rom und Madrid bald Skepsis - und in Griechenland brach die Wirtschaft immer weiter ein, die Bürger räumten ihre Bankkonten.

Der Druck wurde zu groß, und Tsipras akzeptierte im Gegenzug für 86 Milliarden Euro Finanzhilfe - für die kommenden drei Jahre - dann doch neue, harte Sparvorgaben der Kreditgeber. Die Steuern steigen, Renten werden abermals gekürzt. Griechenland bleibt damit zwar im Euro. Aber die Regierung in Athen ist an dieser radikalen Wende zerbrochen. Die Wahl am Sonntag wird zeigen, ob die Griechen Tsipras noch eine zweite Chance geben.

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Die letzten Umfragen zeigen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Syriza und der konservativen Nea Dimokratia (ND). Beide Parteien kommen in den Vorhersagen auf jeweils bis zu etwa 30 Prozent. Und beide Parteien haben sich dazu bekannt, die mit der EU vereinbarte Politik, samt der neuen Härten, umzusetzen. In der Haushalts-, Finanz- und Steuerpolitik lässt das Hilfspaket auf Jahre hinaus kaum Spielräume für eigene Athener Akzente.

Konservativer Kandidat könnte Tsipras gefährlich werden

Bei der Wahl im Januar hatte Tsipras' Partei mit 36 Prozent der Stimmen alle anderen abgehängt. Jetzt sitzt die Enttäuschung über Syriza tief. Zudem hat sich der radikallinke Flügel der Partei abgespalten. Er verfolgt nun mit einer eigenen Formation das Ziel: Rückkehr zur Drachme. Davon profitiert die konservative Konkurrenz. Der eher unscheinbare Spitzenkandidat der ND, der 61-jährige Abgeordnete und Übergangsparteichef Evangelos Meimarakis, hat es geschafft, zu einem ernsthaften Herausforderer zu werden. Seine Popularitätswerte sind nun so hoch wie die von Tsipras. "Die Zeit der großen Egos in der griechischen Politik ist vorbei", sagt Nikos Dendias, ND-Politiker und Ex-Verteidigungsminister.

Die Nea Dimokratia will im Fall eines Wahlsieges eine Koalition der Pro-Europa-Kräfte bilden - mit Syriza. Die Sparpolitik müsste im Interesse des Landes von einer breiten Allianz getragen werden, argumentiert Meimarakis. Das Land brauche "keine gefährlichen Experimente" mehr.

Wie sehr wird die Syriza-Partei abgestraft? Das ist das wichtigste Frage bei der Parlamentswahl am Sonntag. (Foto: N/A)

Das wünscht man sich auch in Brüssel. Manfred Weber, CSU-Politiker und Vorsitzender der konservativen EVP-Fraktion, sagte der Süddeutschen Zeitung: "Die Verträge und Vereinbarungen Griechenlands mit Europa und dem IWF gelten selbstverständlich weiter, egal wer künftig das Land regiert. Wir erwarten von der neuen Regierung absolute Vertragstreue." Das Misstrauen gegen Tsipras ist geblieben. "Klar ist, dass Tsipras mit seinem radikalen und linken Politikansatz auf ganzer Strecke gescheitert ist. Er hat seine Versprechen nicht halten können", so Weber.

Syriza hat trotzdem Chancen, wieder stärkste Kraft zu werden

Tsipras gibt nicht so leicht auf. Tatsächlich überrascht, dass seine Partei nach den gebrochenen Wahlversprechen und der Abspaltung nicht noch schlechter dasteht. Bei der Abschlussveranstaltung seines Wahlkampfes am Freitagabend auf dem Athener Syntagma-Platz wurde er von seinen Anhängern gefeiert, als er sagte: "Der Kampf ist noch nicht vorbei." Syriza hat noch Chancen, wieder stärkste Kraft zu werden. Tsipras hat eine große Koalition - mit ihm als Premier - ausgeschlossen. Die ND repräsentiere das alte politische System, das Griechenland in die Krise geführt habe, sagte er. Nach dem griechischen Wahlrecht genügt eine Stimme Vorsprung für einen Zuschlag von 50 Sitzen im 300-köpfigen Parlament. Trotzdem dürfte es nicht für die absolute Mehrheit einer Partei reichen. Gut möglich, dass deshalb ein Dritter über die Zukunft des Landes mitentscheidet: der frühere Fernsehjournalist Stavros Theodorakis. Er führt die liberale Partei To Potami (Der Fluss) an. Theodorakis hat sich bislang auf keinen Koalitionspartner festgelegt. Die Partei kommt in den Umfragen auf etwa fünf Prozent.

Aufmerksam wird auch das Abschneiden der ultrarechten Partei Goldene Morgenröte beobachtet. Sie könnte mit sieben Prozent drittstärkste Kraft werden. Regieren will mit ihr niemand.

© SZ vom 19.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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