Wohnungsmarkt:Fusion von Immobilienriesen

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Deutschlands größte Vermieter, Vonovia und Deutsche Wohnen, wollen sich zusammenschließen und bieten Berlin 20 000 Wohnungen zum Kauf an. Der Mieterbund sieht die Übernahme trotz Zugeständnissen kritisch.

Von Benedikt Müller-Arnold, Düsseldorf

Zwei Jahrzehnte nach der Privatisierung vieler öffentlicher Wohnungsbestände bahnt sich ein Rekord-Zusammenschluss auf dem Immobilienmarkt in Deutschland an: Der größte Wohnungskonzern Vonovia will den zweitgrößten Vermieter Deutsche Wohnen für gut 18 Milliarden Euro übernehmen. Am Dienstag haben die Unternehmen ihren Fusionsplan der Öffentlichkeit vorgestellt. "Wir werden unsere Größe nutzen, um unserer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden", sagte Vonovia-Chef Rolf Buch.

Vonovia und Deutsche Wohnen besitzen zusammen etwa 509 000 Mietwohnungen in Deutschland, hinzu kommen 60 000 in Schweden und Österreich. Viele der Immobilien waren einst etwa als Werkswohnungen, Eisenbahnersiedlungen oder im städtischen Wohnungsbau entstanden. Alleine in Berlin käme der fusionierte Konzern auf knapp 157 000 Mietparteien. Das entspricht etwa einem Zehntel aller Mietwohnungen in der Hauptstadt.

Allerdings stößt das Geschäft der Großvermieter gerade in Berlin auf Kritik. Dort haben Vonovia und Deutsche Wohnen in den vergangenen Jahren viele Mieten erhöht. Nun sammelt eine Initiative namens "Deutsche Wohnen & Co enteignen" Unterschriften für einen Volksentscheid, um die Immobilien privater Wohnungskonzerne in der Hauptstadt zu vergesellschaften. Zudem versuchte Berlin zuletzt, den Anstieg der Mieten gesetzlich zu deckeln; das Bundesverfassungsgericht hat dieses Gesetz jedoch im April für nichtig erklärt. "Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist die große Unklarheit nicht mehr da", begründete Vonovia-Chef Buch den Zeitpunkt seines Übernahmeangebots.

Vonovia und Deutsche Wohnen versuchen, der Berliner Verwaltung entgegenzukommen. Beispielsweise bieten sie an, dass das Land etwa 20 000 Wohnungen beider Konzerne übernehmen könne. Mehrere landeseigene Wohnungsgesellschaften müssten dafür voraussichtlich mehr als zwei Milliarden Euro bezahlen, sagte Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Chefs von Vonovia und Deutsche Wohnen; man prüfe nun Details. Das Land hatte angekündigt, dass es wieder mehr Wohnungen in öffentliches Eigentum überführen will, um mehr Kontrolle über den Markt zu erlangen. Um die Jahrtausendwende herum hatte Berlin unter gegensätzlichen Annahmen landeseigene Wohnungsgesellschaften privatisiert.

Fachleute werten den Fusionsplan als Reaktion auf den gestiegenen Druck der Politik

Vonovia und Deutsche Wohnen stellen zudem in Aussicht, dass sie nach einer Fusion die Mieten in Berlin bis 2024 um höchstens ein Prozent pro Jahr erhöhen wollen. "Wenn wir das miteinander so verabreden können, wie es sich jetzt abzeichnet, dann ist das eine wichtige Aussage für die Berlinerinnen und Berliner", sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). Allerdings können die Unternehmen Mieten darüber hinaus anheben, wenn sie Wohnungen modernisieren. Zudem wollen Vonovia und Deutsche Wohnen in den nächsten Jahren einige Tausend Wohnungen neu bauen. "Für diese Herausforderung brauchen wir viel Kapital", warb Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn für den Zusammenschluss.

Der Deutsche Mieterbund kritisiert, dass Teile der Zusagen Selbstverständlichkeiten seien, "die den Unternehmen wenig abverlangen", so Präsident Lukas Siebenkotten. Vonovia und Deutsche Wohnen träten offensichtlich eine "verbale Flucht nach vorne an", da sich Proteste gegen ihr Geschäft verstärkt hätten. Die Konzerne versuchten offenbar, der Enteignungsinitiative "den Wind aus den Segeln zu nehmen", sagte Siebenkotten. Er moniert, dass Vonovia und Deutsche Wohnen auch künftig frei werdende Wohnungen sanieren und danach teurer vermieten können.

Ob die Fusion zustande kommt, werden die Aktionäre von Deutsche Wohnen im Sommer entscheiden; zudem müssten Wettbewerbsbehörden den Zusammenschluss genehmigen. Vonovia will den Investoren im Juni die konkrete Offerte vorlegen. Vorstand und Aufsichtsrat von Deutsche Wohnen wollen den Aktionären empfehlen, das Angebot anzunehmen. Vonovia will die Übernahme mit Krediten finanzieren und zusätzliche Aktien ausgeben. Vor fünf Jahren hatte der Bochumer Konzern schon einmal versucht, den Konkurrenten aus Berlin zu übernehmen. Doch die Deutsche-Wohnen-Spitze wehrte sich damals erfolgreich gegen das Gebaren.

Fachleute werten den Fusionsplan als Reaktion auf den gestiegenen Druck der Politik. "Ein größerer Konzern hätte gegenüber den Bezirken eine deutlich gestärkte Verhandlungsmacht", sagte Claus Michelsen, Immobilienökonom des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Auch Auftragnehmer wie etwa Handwerksbetriebe müssten sich nach einem Zusammenschluss auf härtere Verhandlungen einstellen, so Michelsen. "Gleichzeitig würde der Konzern Sanierungsvorhaben kostengünstiger umsetzen können."

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