Vermehrte Abschiebungen:Zweifel an Seehofers "Masterplan"

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Der ehemalige Bundesinnenminister neben dem neuen: Thomas de Maizière (links) und Horst Seehofer. (Foto: AFP)
  • Der neue Innenminister Horst Seehofer hat einen "Masterplan für schnellere Asylverfahren und konsequentere Abschiebungen" angekündigt.
  • Doch selbst im konservativen Bayern ist die Zahl der Abschiebungen in den vergangenen Jahren rückläufig.
  • Die Gründe sind vielfältig, oft haben die Behörden der Länder gar keine Möglichkeit, mehr Menschen abzuschieben - Seehofer muss sich Kritik gefallen lassen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Es ist ein Amtswechsel nicht ohne Tücken, bei der Übergabe der Geschäfte aber sollen sogar ein paar warme Worte gefallen sein. Am Donnerstag hat Thomas de Maizière (CDU) das Bundesinnenministerium in Berlin an seinen Nachfolger Horst Seehofer (CSU) übergeben. "Ich war mit Haut und Haaren Innenminister", sagte de Maizière nach Angaben aus Teilnehmerkreisen bei der Amtsübergabe. Beobachter von der Presse waren nicht zugelassen. Das sei nicht üblich, hieß es im Haus. 800 Gäste sollen den scheidenden Minister mit stehenden Ovationen verabschiedet haben. Dieser habe seinem Nachfolger "von Herzen" gratuliert. Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein.

Thomas de Maizière hätte gern weitergemacht im Amt, das ist kein Geheimnis. Und er hat sich in den letzten Wochen geärgert über seinen Nachfolger. Erst setzte Seehofer durch, dass das Bundesinnenministerium um die Abteilungen Bau und Heimat erweitert wird. Zu groß, kritisierte de Maizière. Dann kündigte Seehofer in der Bild am Sonntag einen "Masterplan für schnellere Asylverfahren und konsequentere Abschiebungen" an. Deutschland solle sicher werden wie Bayern, er dulde "keine rechtsfreien Räume mehr". Das klang, als habe der Vorgänger den Rechtsstaat vernachlässigt.

Der zurückhaltende Jurist de Maizière und der querköpfige Merkel-Kritiker Seehofer - sie werden wohl keine Freunde mehr. Und dass Seehofer als erstes das Thema Abschiebungen auf die Agenda gehoben hat, sorgt in Ländern und auch bei der Polizei für Skepsis. Denn schnelle Erfolge sind hier nicht zu erwarten.

24 000 Menschen haben 2017 Deutschland unfreiwillig verlassen, 2000 weniger als im Vorjahr. Der Rückgang resultiert nicht aus der Milde der Behörden, sondern vor allem daraus, dass 2016 ungewöhnlich viele Menschen in Westbalkanstaaten abgeschoben wurden. Dennoch müsse Deutschland seine Anstrengungen weiter verstärken, mahnte de Maizière noch im Januar. Denn 200 000 Ausreisepflichtige reisen nicht aus, sondern leben mit einer Duldung weiter in Deutschland.

Oft ist es Krieg im Herkunftsland, der eine Abschiebung unmöglich macht. Denn nach Paragraf 60 des Aufenthaltsgesetzes darf kein Ausländer in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm "ernsthafter Schaden" droht oder die Todesstrafe. Dies gilt auch für Gefährder und schwere Straftäter. Jenseits der Gefahren für Leib und Leben gelten für diese Ausländer aber Regeln, die ihre Abschiebung erleichtern.

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Ist eine Abschiebung beschlossen, kommt es oft trotzdem nicht dazu. Mal stellt der Herkunftsstaat keine Pässe aus. Mal scheitern deutsche Behörden am Unwillen eines Staates, Straftäter zurück ins Land zu holen. Selbst Gefährder können bisweilen nicht abgeschoben werden, etwa die Hälfte von ihnen hat einen deutschen Pass. Nicht selten stoppen Gerichte Abschiebungen im letzten Moment. Oder die Betroffenen tauchen ab.

Seehofer will das nun ändern, auch weil ihm die AfD im Nacken sitzt. Ob Bayern hier allerdings als Vorbild dienen kann, wird jenseits der Landesgrenzen bezweifelt. 2015 hat Bayern 4195 Menschen abgeschoben, 2016 waren es 3310 und im vergangenen Jahr 3282 - die Zahlen sinken also. Das bayerische Innenministerium erklärt den Rückgang damit, dass 2015 besonders viele Menschen rückgeführt wurden. Zufrieden sind allerdings auch die Bayern nicht. "Die Rückführungsquote ist verschwindend gering, fast eine Illusion", sagte Seehofer noch im August - gemeint waren die Zahlen im Freistaat.

Gleichzeitig übt Bayern mehr Druck auf Flüchtlinge aus als andere Bundesländer, etwa bei Abschiebungen nach Afghanistan. Die Entschlossenheit wirke, heißt es. 13 100 Menschen hätten Bayern 2017 freiwillig verlassen. Bei friedlichen Szenen aber bleibt es nicht. Im rot-rot-grün regierten Berlin wird beispielsweise nicht aus Krankenhäusern oder Schulen abgeschoben, um Kindern traumatische Szenen zu ersparen. In Bayern kommt das vor, wenn auch selten. In Berlin müssen Menschen vor Abschiebungen in der Regel nicht in Gewahrsam, in Bayern schon. In Baden-Württemberg wiederum sammelt ein "Sonderstab gefährliche Ausländer" nun Gründe für eine Abschiebung, die sonst nicht hätte stattfinden können: Bagatelldelikte, Diebstahl, häufiges Schwarzfahren.

Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter äußert Skepsis beim Blick auf den "Masterplan"

Ein Modell für Seehofers Masterplan? Kaum, sagt Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD). Statt die Länder in einen Wettlauf um härtere Abschiebemethoden zu treiben, müsse Seehofer sich dem Haupthindernis widmen: den Abkommen mit Herkunftsländern, die nicht kooperierten. "Der Bund trägt die Verantwortung dafür, dass Rücknahmeabkommen geschlossen werden und bei der Passbeschaffung effektive Hilfe geleistet wird", sagt Pistorius. Auch Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) mag sich nicht länger anhören, die Länder agierten zu nachsichtig. Immer wieder habe man Gefährder nicht abschieben können, teils mit schlimmen Folgen wie im Fall des Attentäter Anis Amri. "Der Bund muss mehr Verantwortung für die Abschiebung von Gefährdern übernehmen. Und zwar, bevor sie Anschläge verüben", sagte Geisel.

Skeptische Töne kommen auch vom Bund Deutscher Kriminalbeamter. "Was Seehofer vorhat, finden wir grundsätzlich richtig", sagt der stellvertretende Bundesvorsitzende Sebastian Fiedler. Wer aber nur auf höhere Rückführungszahlen dringe, schiebe möglicherweise die Falschen ab. "Unsere Sorge ist, dass Seehofer den Weg des geringsten Widerstands geht und vor allem diejenigen abschiebt, die sich am wenigsten wehren und sich nichts haben zuschulden kommen lassen." Wichtiger sei es aus Sicht der Polizei, Rechtsbrechern und "kriminellen Gruppen" beizukommen, die gezielt versuchten, "Abschiebehindernisse zu schaffen". Die Herausforderung bei Abschiebungen bestehe darin, nicht Masse zu machen, sondern Problemfälle von Anständigen zu unterscheiden. Horst Seehofer hat jetzt ziemlich viel zu tun.

© SZ vom 16.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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