Venezuela:Maduro wankt

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Präsident Maduro zeigt sich in der für ihn schwierigen Lage gesprächsbereit, das kommt bei ihm nicht oft vor. (Foto: REUTERS)
  • Juan Guaidó, Herausforderer des angeschlagenen venezolanischen Präsidenten Maduro, gibt sich siegessicher. Die Frage ist, welche Sicherheiten er hat.
  • Die USA versuchen derweil alles, um Guaidó die für einen realen Machtwechsel nötigen Mittel zuzuschanzen.
  • Das venezolanische Militär wird wohl den Ausschlag geben. Möglicherweise ist es nicht bereit, für Maduro bis ans Äußerste zu gehen.

Von Sebastian Schoepp, München

Wilmer Guaidó lebt in Spanien wie Zehntausende andere Venezolaner, die ihr Land wegen der Krise verlassen haben. Er verdingt sich als Taxifahrer auf Teneriffa. Derzeit ist er ein gefragter Mann, seit sein Sohn sich Mitte der Woche zum Präsidenten seines Heimatlandes proklamiert hat und bereits von den USA und wohl bald auch von Deutschland anerkannt wird. "Wir sind stolz auf ihn, wie wir es immer waren", sagte Wilmer Guadió zur Nachrichtenagentur EFE.

Der Sohn sitzt derweil in Caracas und agiert so keck wie jemand, der meint, dass er nicht verlieren kann. Aber welche Garantien hat Juan Guaidó bekommen, etwa von den USA? Nicolás Maduro, der bisherige Präsident, könne, falls er sich zurückziehe, mit einer Amnestie rechnen, sagte Guaidó dem Sender Univisión: "Die Amnestie ist auf dem Tisch. Die Garantien gelten für alle, die bereit sind, sich auf die Seite der Verfassung zu stellen und die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen." Ein großes Versprechen. Dabei ist Juan Guaidó auf den ersten Blick sehr weit davon entfernt, die faktische Macht zu haben im Land - solange die Spitze des Militärs zu Nicolás Maduro steht.

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Das Militär ist womöglich nicht bereit, für Maduro zum Äußersten zu gehen

"Die Streitkräfte werden niemals einen Präsidenten akzeptieren, der von dunklen Mächten eingesetzt wird oder sich abseits des Rechts selbst einsetzt", betonte Verteidigungsminister Vladimir Padrino am Freitag. "Wir erkennen unseren Chefkommandeur Nicolás Maduro als legitimen Präsidenten an." Allerdings sagte Padrino auch: "Ein Bürgerkrieg wird die Probleme Venezuelas nicht lösen." Diese Worte wurden von Beobachtern in Caracas so interpretiert, dass das Militär nicht bereit ist, für Maduro zum Äußersten zu gehen.

Die USA versuchen derweil alles, um Guaidó die für einen realen Machtwechsel nötigen Mittel zuzuschanzen. Dazu nehmen sie die Ölindustrie Venezuelas ins Visier. Ziel sei es, die Einnahmen von dem "illegitimen Maduro-Regime" an Guaidós Regierung "umzuleiten", sagte der Nationale Sicherheitsberater der USA, John Bolton, am Donnerstag - ohne auszuführen, wie er das bewerkstelligen will. Einen Hebel könnten die Sanktionen liefern, mit denen die USA die Regierung Maduro beizeiten belegt haben. Auch auf anderen Wegen soll schnell Geld fließen. Guaidó stellte in seiner Funktion als selbsternannter Interims-Präsident einen Antrag auf humanitäre Hilfe an die USA. Er bitte um die Lieferung von Lebensmitteln und Medizin, schrieb er an US-Außenminister Mike Pompeo. Zuvor hatte Pompeo bereits humanitäre Hilfslieferungen in Aussicht gestellt, sobald das logistisch möglich sei.

Der Plan zielt erkennbar darauf ab, Guaidó populär zu machen und das Militär davon zu überzeugen, dass es von einem Machtwechsel profitieren könne. Bisher nutzten korrupte Generäle das System Maduro und den direkten Zugang zur Ölindustrie. Guaidó hat für nächste Woche weitere Massendemonstrationen angekündigt. Im Interview sagte er, er sei überzeugt, dass "der Anfang vom Ende" Maduros gekommen sei. "Unsere Aufgabe ist es, freie Wahlen sicherzustellen." Der 35-jährige Familienvater geht ein hohes Risiko ein, bereits einmal wurde er vom Geheimdienst festgenommen, was in Venezuela für Oppositionelle tödlich ausgehen kann - wie bei Fernando Albán, der im Oktober 2018 aus einem Fenster im 10. Stock des Geheimdienstgebäudes stürzte. Dass der bislang wenig bekannte Guaidó überhaupt in die prominente Rolle eines Präsidenten in spe geraten konnte, liegt daran, dass die meisten Oppositionspolitiker geflohen sind oder im Arrest sitzen. So etwa Guaidós Stichwortgeber Leopoldo López, dem die Regierung nicht grundlos vorwirft, für Ausschreitungen bei früheren Demonstrationen verantwortlich zu sein.

Der Regierungschef wirkt angeschlagen

Präsident Maduro zeigte sich gesprächsbereit, das kommt bei ihm nicht oft vor. "Ich bin bereit für einen Dialog, Verhandlungen, ein Abkommen", sagte der angeschlagen wirkende Regierungschef am Donnerstag im Obersten Gerichtshof, den er zu seinen Verbündeten zählt und der bis jetzt stets in seinem Sinne urteilte. Die USA tun alles, um Maduro zu zeigen, dass sie ihn sowieso nicht mehr ernst nehmen. Seiner Anordnung, Diplomaten abzuziehen, folgen sie nur schleppend.

Derweil kehrte Caracas am Freitag zu einer Art Normalität zurück. Der Verkehr floss wieder normal, auch um die zentralen Orte des Widerstands, die Plaza de Altamira oder das Armenviertel Catia. Das zeigt, wie schnell die Venezolaner sich im täglichen Überlebenskampf inzwischen mit jeder Art von Ausnahmezustand arrangieren - mit oder ohne Regierung.

Weltweit hingegen hat das Schicksal Venezuelas eine für tropische Karibikstaaten ungewöhnliche Aufgeregtheit entfacht. Die Spaltung in Befürworter und Gegner des Umsturzes ging am Freitag weiter. Kanzlerin Angela Merkel schwenkte nach erstem Zögern auf die Anti-Maduro-Linie ein: "Die Bundesregierung spricht sich im Rahmen der anstehenden EU-Beratung dafür aus, Juan Guaidó als Interimspräsident anzuerkennen, sofern es nicht umgehend zu freien und fairen Wahlen kommt", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Ähnlich äußerte sich Spaniens Außenminister Josep Borrell. An Maduro fest hält eher, wer viel zu verlieren hat, also etwa Russland und China, die Milliarden in die Ölindustrie gesteckt haben. Peking stützt das Regime auch mit Krediten. "Was wird aus unserem Geld, wenn die Gegner Maduros an die Macht kommen?", fragte am Freitag bang die russische Komsomolskaja Prawda.

© SZ vom 26.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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