Krise in Venezuela:Deutschland erwägt Anerkennung Guaidós als Staatschef

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Könnte bald auch von Deutschland als venezolanischer Präsident anerkannt werden: Juan Guaidó. (Foto: AFP)
  • Die Bundesregierung erhöht den Druck auf Nicolás Maduro.
  • Machthaber Maduro will nun angeblich ein Abkommen mit der Opposition aushandeln.
  • Oppositionsführer Juan Guaidó macht zur Bedingung, dass Maduro seinen Platz räumt, schlägt aber eine Amnestie für das Regime vor.
  • Die USA ziehen aus Sicherheitsgründen doch einen Teil ihrer Diplomaten ab.

Nach der heftigen Konfrontation zwischen der Regierung und der Opposition in Venezuela stellt sich Deutschland immer entschiedener auf die Seite des Oppositionsführers Juan Guaidó. Die Bundesregierung erwägt nun seine Anerkennung als Staatschef, wenn es nicht umgehend zu fairen und freien Wahlen kommt. Das sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Zuvor hatte bereits Außenminister Heiko Maas (SPD) gesagt: "Wir sind nicht neutral in dieser Frage, sondern wir unterstützen das, was Guaidó dort tut." Die Anerkennung als Staatspräsident hat Deutschland aber bisher nicht ausgesprochen, anders als zum Beispiel die USA.

Der Machthaber Nicolás Maduro zeigte sich nun offenbar gesprächsbereit. "Ich bin bereit für einen Dialog, Verhandlungen, ein Abkommen", sagte der autoritäre Staatschef in einer Rede vor dem Obersten Gericht. Sein Gegenspieler Guaidó schwört seine Anhänger unterdessen auf Widerstand an. "Wir tun, was getan werden muss, um eine Übergangsregierung und freie Wahlen zu bekommen", schreibt er auf Twitter.

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In einem Interview des Fernsehsenders Univision macht er allerdings erste Zugeständnisse. Wenn Maduro freiwillig den Platz räume, wolle er eine Amnestieregelung für den sozialistischen Staatschef nicht ausschließen. "Die Amnestie ist auf dem Tisch. Die Garantien gelten für alle, die bereit sind, sich auf die Seite der Verfassung zu stellen und die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen."

Guaidó sprach sich für baldige Wahlen aus. "Unsere Herausforderung ist es, freie Wahlen sicherzustellen und wir wollen sie so schnell wie möglich. Aber wir leben in einer Diktatur", sagte er. Was jetzt geschehe, sei der Anfang vom Ende für Staatschef Maduro.

Der 35-jährige Abgeordnete hatte sich am Vortag selbst zum Übergangsstaatschef erklärt und Maduro die Legitimation abgesprochen. Die USA, die EU und zahlreiche lateinamerikanische Länder erkannten den Gegenpräsidenten als legitimen Staatschef an. Maduro hingegen kann auf die Unterstützung des mächtigen Militärs sowie seiner Verbündeten in Russland, Iran, Türkei, Kuba, Bolivien und Nicaragua zählen.

Nach dem von Maduro angeordneten Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Venezuela und den Vereinigten Staaten ziehen die USA nicht dringend benötigte Diplomaten aus Caracas ab. US-Außenminister Mike Pompeo erklärte allerdings, dass die USA damit nicht der Anweisung von Maduro zum Abzug aller Diplomaten folgen. Es gehe allein um Sicherheitsfragen. Maduro hat den US-Diplomaten bis Sonntag Zeit gegeben, das südamerikanische Land zu verlassen.

Pompeo sagte: "Das Regime des früheren Präsidenten Nicolás Maduro ist nicht legitim. Wir betrachten daher alle seine Erklärungen und Handlungen als illegitim und ungültig." Pompeo warnte "Überbleibsel des Maduro-Regimes" davor, "den friedlichen demokratischen Übergang zu unterdrücken".

Das mächtige Militär hält allerdings noch immer treu zu Maduro. "Die Streitkräfte werden niemals einen Präsidenten akzeptieren, der von dunklen Mächten eingesetzt wird oder sich abseits des Rechts selbst einsetzt", sagte Verteidigungsminister Vladimir Padrino. "Wir erkennen unseren Chefkommandeur Nicolás Maduro als legitimen Präsidenten an."

Guaidó hingegen stellte in seiner neuer Funktion als Interimspräsident bereits einen Antrag auf humanitäre Hilfe aus den USA. Er bitte um die Lieferung von Lebensmitteln, Medikamenten und medizinischen Artikeln, schrieb er an US-Außenminister Pompeo. Auch die Entsendung eines Klinikschiffs sei wünschenswert. Zuvor hatte Pompeo bereits humanitäre Hilfslieferungen in Aussicht gestellt, sobald das logistisch möglich sei. Die USA seien bereit, 20 Millionen Dollar für Lebensmittel und Medizin zu schicken, sagte er.

Blutige Auseinandersetzungen

Angesichts der Pattsituation warnte das venezolanische Militär vor einer gewalttätigen Lösung des Konflikts. "Ein Bürgerkrieg wird die Probleme Venezuelas nicht lösen", sagte Verteidigungsminister Padrino. Es bedürfe eines Dialogs zwischen der Regierung und der Opposition, "denn ein Krieg ist nicht unsere Wahl, sondern ein Instrument vaterlandsloser Gesellen, die nicht wissen, was das bedeutet."

Bei den Massenprotesten am Mittwoch war es bereits zu blutigen Auseinandersetzungen gekommen. Die Polizei feuerte Tränengasgranaten und Gummigeschosse in die Menge. Vermummte Demonstranten schleuderten Steine auf die Sicherheitskräfte. Mindestens 26 Menschen seien dabei ums Leben gekommen, teilte die Beobachtungsstelle für soziale Konflikte (OVCS) mit. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Foro Penal wurden zudem 332 Personen festgenommen.

Venezuela, das rund 30 Millionen Einwohner hat, steckt seit Langem in einer tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise. Viele Regierungsgegner sitzen in Haft oder leben im Exil. Wegen eines Mangels an Devisen kann das einst reiche Land kaum noch Lebensmittel, Medikamente und Dinge des täglichen Bedarfs importieren. Rund drei Millionen Venezolaner sind schon ins Ausland geflohen.

© SZ.de/dpa/kler/bepe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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