Covid-19 in Venezuela:Regierungsunterstützer werden bevorzugt geimpft

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"Wir brauchen jetzt Vakzine!", steht auf der Maske dieser Pflegekraft aus Caracas. Zahlreiche Mitarbeiter der Krankenhäuser in Venezuela sind bis heute nicht geimpft. (Foto: Matias Delacroix/AP)

In Venezuela ist der Corona-Impfstoff rar - und wird nach Gutdünken verteilt. Besitzer eines "Heimatpasses" haben leichteren Zugang. Viele Krankenhausmitarbeiter müssen weiter warten.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Welche Bevölkerungs- und Berufsgruppe wie schnell geimpft wird, ist eine Frage der Prioritäten - in Venezuela aber auch abhängig von der Treue zum Regime.

Seit Anfang April werden in dem Land neben Ärzten und Funktionsträgern auch Ältere geimpft, bevorzugt allerdings diejenigen, die in Besitz des sogenannten Carnet de la Patria sind. Übersetzt bedeutet dies so viel wie Heimatpass, und in der Praxis ist die Karte mit einem digitalen Bezugsschein vergleichbar.

Geld, Lebensmittel, Medikamente - Hilfen vom Staat gibt es nur für Inhaber des Heimatpasses

Der Besitz des Heimatpasses ist keine Pflicht, oft aber überlebenswichtig: Venezuela steckt seit Jahren in einer schweren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise. Im einstmals reichen Ölstaat ist durch Korruption, Missmanagement und US-Sanktionen selbst die Grundversorgung zusammengebrochen. Es mangelt an Treibstoff, Medikamenten und Nahrungsmitteln. Umso wichtiger sind für weite Teile der Bevölkerung die Geldtransfers und die Lebensmittelpakete, die sie von der Regierung erhalten - und Grundvoraussetzung ist dafür meist eben der Besitz eines Heimatpasses.

Eingeführt 2016 unter Präsident Nicolás Maduro, dient die Bezugskarte offiziell der Vereinfachung von Sozialprogrammen und der Armutsbekämpfung. Dazu hat sich das Carnet de la Patria aber für die sozialistische Regierung in Caracas auch längst zu einem effektiven Werkzeug entwickelt, um Druck und Einfluss auszuüben auf die Bevölkerung.

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Bei Wahlen, zum Beispiel, käme es immer wieder zu Stimmenkauf über den Heimatpass, sagen Beobachter. Und 2019 beklagte UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet in einem Bericht über die Situation in Venezuela, die Bezugskarte würde vor allem der sozialen Kontrolle dienen und zur Diskriminierung politisch Andersdenkender.

Bislang erleichterte der Besitz eines Heimatpasses den Zugang zu Lebensmitteln oder auch Treibstoff. Dass nun auch Impfungen bevorzugt an Besitzer der Bezugskarte abgegeben werden, hat für einen Aufschrei der Entrüstung gesorgt bei der Opposition, internationalen Beobachtern und Menschenrechtsgruppen.

Der Präsident und seine Getreuen sind geimpft. Ansonsten läuft die Kampagne schleppend

Denn während die Massenimmunisierung gegen Covid-19 in einigen Ländern Lateinamerikas schon weit fortgeschritten ist, kommt die Impfkampagne in Venezuela nur schleppend voran. Im Februar begann das Land damit, Ärzte, Ärztinnen, Krankenschwestern und Pfleger zu impfen. Bis Ende des Jahres, versprach Präsident Nicolás Maduro, seien 70 Prozent der Bevölkerung geimpft. Zwar sind er und seine Frau mittlerweile immunisiert, genauso wie die 277 Abgeordneten der regierungstreuen Nationalversammlung. Ein großer Teil des Krankenhauspersonals hat aber noch keine Spritze bekommen.

Impfstoffe sind rar: Lediglich 300 000 Dosen des russischen Wirkstoffs Sputnik V sind bisher eingetroffen, dazu hat die chinesische Staatsfirma Sinopharm 500 000 Dosen gespendet. Lieferungen aus dem Covax-Programm lassen auf sich warten, auch deshalb, weil Venezuela die Bezahlung hinausgezögert hat. Und die angekündigte Produktion eines kubanischen Wirkstoffs hat noch nicht begonnen, da dieser noch in der Testphase steckt.

Bei all dem sind die Infektionszahlen hoch wie nie: Offiziell liegt der Sieben-Tage-Mittelwert bei rund 1000 Neuinfektionen, doch getestet wird kaum, die Dunkelziffer, schätzen Experten, dürfte um ein Vielfaches höher sein.

Umso größer ist die Wut darüber, dass die wenigen Dosen, die ins Land kommen, nach politischem Gutdünken verteilt werden. "Nicht einmal in der grausamsten Diktatur wird beim Zugang zu Impfungen diskriminiert", erklärte Oppositionspolitiker Juan Guaidó kürzlich und rief zu Protesten auf.

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