Für Donald Trump sieht eine gelungene Medienkonferenz zur Corona-Krise so aus wie jene am Sonntagabend: Er liest eine Kolumne aus dem konservativen Wall Street Journal vor, die ihn für sein Krisenmanagement lobt, und prahlt über die Einschaltquoten seiner Auftritte. Er wiederholt seine Behauptung, dass es in den USA genügend Corona-Tests gebe, obwohl die Gouverneure im ganzen Land über einen Mangel klagen. Und er geht dazu über, die Journalisten zu attackieren, die ihm kritische Fragen stellen. "Sie gebrauchen Ihr Gehirn nicht", sagt er zu einem Reporter, "seien Sie still!", blafft er eine andere Journalistin an.
Das tägliche Briefing des Präsidenten ist - von den selten gewordenen Wortmeldungen der medizinischen Experten abgesehen - eine Quelle von Unwahrheiten, Eigenlob und Beschimpfungen. Trumps Auftritte ersetzen für ihn die Wahlkampfveranstaltungen, die es wegen der Pandemie nicht mehr gibt. Sie haben für Trump drei Vorteile: Sie finden häufiger statt, sie dauern länger, und sie werden auch von sehr vielen Amerikanern gesehen, die nicht in ein Stadion pilgern würden, um sich den Präsidenten anzuhören. Denn die großen TV-Sender übertragen die Briefings direkt in Millionen von Haushalte.
Zumindest war das bis vor Kurzem so. Unter Medienkritikern mehren sich nun die Stimmen, welche die TV-Sender auffordern, Trumps Auftritte nicht mehr auszustrahlen - wenigstens nicht mehr live und ungekürzt. "Ich würde auch keine Reporter mehr da hinschicken, damit Trump ihre Zeit verschwenden und sie zu Hassobjekten machen kann", schrieb der New Yorker Journalismus-Professor Jay Rosen. Die Medien sollten nur noch dann über die Briefings berichten, wenn sich daraus wirklich berichtenswerte Neuigkeiten ergäben.
Das sehen inzwischen selbst viele Journalisten so. Die Medien sollten besser mit Gouverneuren, Medizinern und Opfern der Pandemie reden, statt sich als Requisiten für Trumps Show herzugeben, twitterte der frühere Washingtoner Bürochef der Nachrichtenagentur AP. Diese Stimmen wurden lauter, nachdem Trump neulich inmitten des Briefings einen Propagandafilm abspielen ließ, der seine späte Reaktion auf die Pandemie beschönigte.
Die Kritik stützt sich auf zwei Punkte: Da ist erstens die Sorge, dass die Medien in die Muster des Präsidentschaftswahlkampfs von 2016 zurückfallen, indem sie Trump eine Bühne geben, die seine Gegner nicht haben. Damals übertrugen die TV-Sender Trumps Auftritte stundenlang und ungeschnitten, weil sie hohe Einschaltquoten brachten - eine Entscheidung, die CNN-Chef Jeff Zucker rückblickend als "Fehler" bezeichnete. Und da ist zweitens die Befürchtung, dass der Präsident mit seinen Falschaussagen die öffentliche Aufklärung über die Pandemie eher behindert. "Je öfter man Trump zuschaut, desto weniger weiß man über irgendetwas Bescheid", twitterte der Medienjournalist Jack Shafer nach Trumps Briefing am Sonntag.
Die Trump-kritischen Sender CNN und MSNBC haben denn auch größtenteils damit aufgehört, Trumps Medienkonferenzen live auszustrahlen. Doch auch das ist nicht unproblematisch. Schließlich ist Trump anders als 2016 nicht einfach ein Politiker im Wahlkampf, sondern der Präsident der Vereinigten Staaten in einer nationalen Notlage, und natürlich haben seine Aussagen automatisch einen gewissen Nachrichtenwert. Die US-Medien hätten gegenüber der Öffentlichkeit die Pflicht, die Briefings zu übertragen, moniert denn auch das Weiße Haus - so, wie das der rechte Sender Fox News zuverlässig tut.
Der Versuch, das Dilemma aufzulösen, nimmt bisweilen seltsame Formen an. CNN ging während der Übertragung eines Briefings vergangene Woche dazu über, die Worte Trumps mit kommentierenden Einblendern zu untertiteln. "Trump bricht in Wutanfall aus", war da unter anderem zu lesen. Und die Fragen der Korrespondenten an den Präsidenten wurden zuletzt schärfer, was dieser wiederum mit noch mehr Beschimpfungen quittierte. Auch wenn Trumps Ärger kaum gespielt ist: Ihm kommen die Scharmützel mit den Reportern gelegen, weil sie von den Versäumnissen seiner Regierung in der Corona-Krise ablenken. Den Journalisten wiederum bieten sie eine Plattform für Selbstinszenierung. Der Erkenntnisgewinn für die Amerikaner zu Hause: Er ist dagegen ziemlich bescheiden.