Als der republikanische Senator Bill Cassidy in Metarie, einem schmucklosen Vorort von New Orleans, auf seiner Bürgerversammlung erscheint, hat sich die wütende Menge schon warm geschrien. Cassidy hat eine halbe Stunde Verspätung. Dass er endlich da ist, macht die Laune der Wartenden nicht besser.
"Schande! Schande!" skandieren sie, während er zum Rednerpult schreitet. Draußen vor der Stadtbücherei warten zudem mehrere hundert Menschen, die drinnen keinen Platz gefunden haben. Auch sie sind dem Republikaner Cassidy und seinem Präsidenten nicht freundlich gesonnen, halten Schilder in die Höhe, auf denen steht "Trump absetzen!", "RIP Umweltschutz" und "Untersucht Trumps Verbindung zu Russland!".
In Washington ist in dieser Woche Sitzungspause. Die Tradition will es, dass die Abgeordneten in dieser Zeit ihre Wahlkreise daheim besuchen und sich auf Bürgerversammlungen (town hall meetings) den Fragen der Wähler stellen. Seit Donald Trump US-Präsident ist, sind diese Veranstaltungen für republikanische Senatoren alles andere als Kuschelstunden.
Demokratische Wähler nutzen die Gelegenheit, den Volksvertretern endlich einmal ihre Meinung zu sagen, genauer gesagt: Dampf abzulassen. Chaotische Szenen gehen per Livestream und Fernseh-Übertragung über das Land. Krawallig geht es zu, eine explosive Mischung aus Ärger, Sorgen und Geschrei - so auch an diesem Mittwochnachmittag in New Orleans.
Cassidys Fragestunde beginnt zunächst mit dem Gebet eines Kaplans, wie es in den USA auf konservativen Veranstaltungen üblich ist. Doch die 200 verärgerten Bürger wollen nicht beten, sie verlangen Antworten. Buh-Rufe. Unruhe. "Wir haben die Trennung von Kirche und Staat!", ruft eine Frau verärgert. Der Senator steht vorne und lächelt.
Spielt Cassidy auf Zeit?
Eine Stunde hat Cassidy, ein 59-jähriger Arzt mit ergrautem Bürstenhaarschnitt, für die Bürgerversammlung vorgesehen und schnell kommt der Verdacht auf, dass der Senator auf Zeit spielt: Mit Hilfe einer Power-Point-Präsentation stellt er seine Vorschläge vor, wie man die von Obama eingeführte Krankenversicherung überarbeiten könnte. Das ist keine gute Idee. Die eh schon aufgeheizte Menge wird nun richtig ungehalten, die Zwischenrufe frecher.
Einige stehen von ihren Plätzen auf, gestikulieren wild. Cassidy kommt nicht zu Wort. Ein Teil des Publikums dreht dem Senator aus Protest den Rücken zu. Von der Demonstration draußen dringen "Beantworte unsere Fragen!"-Rufe herein. Per Facebook-Livestream können die Ausgesperrten verfolgen, was sich drinnen im Saal abspielt.
"Können wir durch den Rest der Folien gehen, dann beantworte ich die Fragen", unternimmt Cassidy noch einen halbherzigen Versuch. "Wir wollen Antworten!" und "Die Präsentation können wir uns auf der Webseite ansehen, reden Sie lieber mit uns!" wird ihm entgegengeschleudert. Der Senator lächelt - und gibt schließlich auf.
Cassidys Helfer hatten zuvor Fragen auf Karteikarten eingesammelt, doch auch das wirkt natürlich verdächtig, denn so kann der Senator sich die ihm passenden Fragen auswählen. Die Bürger konfrontieren ihn lieber persönlich. Viele haben Angst um ihre Krankenversicherung: "Was kommt nach Obamacare?", "Habt ihr überhaupt Pläne?", "Meine Tochter hat Krebs, wollt ihr sie sterben lassen?": Die Fragen prasseln nur so ein auf den Senator. Er versucht mit möglichst ruhiger Stimme, Antworten zu geben und erinnert zwischendurch daran, dass das doch in seiner Präsentation vorgekommen wäre. Er wird gnadenlos übertönt.