USA und Iran:Kartenlesen im Krisenmodus

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"Kein Krieg": Demonstranten warnen vor dem Weißen Haus in Washington vor einer Eskalation im Konflikt mit Iran. (Foto: Jacquelyn Martin/dpa)
  • In der Nacht zum Freitag sah es so aus, als könnten die Spannungen zwischen den USA und Iran einer abgeschossenen Drohne wegen eskalieren.
  • Dem Pentagon zufolge flog die Drohne nicht über iranische Hoheitsgewässer. Die Angaben widersprechen allerdings der Darstellung Irans.

Von Anna Reuß, München

Das iranische Staatsfernsehen zeigte am Freitag Aufnahmen, die angeblich die aufgereihten verkohlten Überreste der abgeschossenen US-Drohne des Typs RQ-4A Global Hawk zeigen. Die von der Northrop Grumman Corporation hergestellte Drohne wird zum Sammeln von Informationen über Wasser und Küstengebieten verwendet und kostet Experten zufolge rund 130 Millionen US-Dollar. Das Fernsehen übertrug einen kurzen Ausschnitt davon, wie General Amir-Ali Hadschisadeh, Leiter der Luftwaffe der iranischen Revolutionsgarde, die Wrackteile begutachtet. In der Nacht zum Freitag sah es so aus, als könnten die Spannungen zwischen den USA und Iran wegen dieser Trümmer eskalieren.

Washington erklärte, die Drohne sei im internationalen Luftraum über der Straße von Hormus von einer iranischen Boden-Luft-Rakete abgeschossen worden. Das amerikanische Verteidigungsministerium veröffentlichte am Donnerstag eine Karte, die die angebliche Flugroute der Drohne zeigt, sowie ein Foto mit den angeblichen Koordinaten zum Zeitpunkt des Abschusses. Dem Pentagon zufolge flog die Drohne nicht über iranische Hoheitsgewässer. Die Angaben widersprechen allerdings der Darstellung Irans. Das Land will Beweise dafür haben, dass die Drohne über iranischem Hoheitsgebiet geflogen sei: Außenminister Mohammed Dschawad Sarif erklärte, die Trümmer der Drohne seien in iranischen Hoheitsgewässern gefunden worden (siehe Karte). Die Drohne habe den iranischen Luftraum über der südlichen Küstenprovinz Hormozgan verletzt.

Sarif schrieb am Donnerstag in einer Twitter-Nachricht, die USA hätten "verdeckte Aktionen" durchgeführt. Iran suche keinen Krieg, verteidige jedoch seinen Luftraum, sein Land sowie die Gewässer. In einer am Freitag veröffentlichten Erklärung teilte Irans stellvertretender Außenminister Seyed Abbas Araghchi mit, dass Iran "unbestreitbare" Beweise habe, dass die US-Drohne den iranischen Luftraum verletzt habe. Iran werde nicht zögern, sein Territorium "entschlossen gegen jede Aggression" zu verteidigen.

Über einen Brief an den Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, rief der iranische Botschafter bei den Vereinten Nationen die USA auf, ihre "illegalen und destabilisierenden Maßnahmen" am Golf zu beenden. Die Vereinigten Staaten wiederum beantragten am Freitag eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates. Die Beratungen zu den "letzten Entwicklungen in Bezug auf Iran" sollen am Montag hinter verschlossenen Türen stattfinden, verlautete aus Diplomatenkreisen.

Washington widersprach dem Vorwurf, die Drohne sei in iranischem Luftraum unterwegs gewesen. Zum Zeitpunkt des Abschusses sei die Global Hawk-Drohne etwa 34 Kilometer vom iranischen Territorium entfernt geflogen, also im internationalen Luftraum. "Dies war ein ungerechtfertigter Angriff auf einen Überwachungskörper der USA im internationalen Luftraum", sagte Navy Captain Bill Urban, ein Sprecher des US Central Command.

Der Angriff, der als Reaktion auf den Drohnenabschuss angeordnet wurde, hätte Luftschläge auf iranische Stellungen vorgesehen, etwa auf Radar- und Raketenbasen. Ein Vorstoß der USA hätte die Spannungen zwischen den beiden Staaten dramatisch verschärft. Trumps Regierung beschuldigt Iran, für eine Reihe von Angriffen in der unruhigen Region seit Mitte Mai verantwortlich zu sein. Vergangene Woche eskalierte die Krise nach einem Angriff auf zwei Tanker im Golf von Oman, für den die USA Iran beschuldigen.

In unmittelbarer Nähe liegt die Straße von Hormus, eine der wichtigsten Seestraßen weltweit, die den Persischen Golf mit dem Golf von Oman und dem Arabischen Meer verbindet. Dort wird ein großer Teil der weltweiten Öltransporte abgewickelt. Der Angriff auf die Tanker und der Abschuss der Drohne am Donnerstag sind die jüngsten Ereignisse in einer Reihe von Zwischenfällen, die die Befürchtungen vor einer Eskalation und einem größeren militärischen Konflikt in der Golfregion verstärken.

Im vergangenen Jahr hatte Trump den Ausstieg der USA aus dem Nuklearabkommen mit Iran erklärt und gesagt, das Land zunehmend isolieren zu wollen. Im April 2019 erklärten die USA die Islamischen Revolutionsgarden, die Eliteeinheit der iranischen Streitkräfte, zur terroristischen Vereinigung. Mitte Mai beschuldigte Saudi-Arabien Iran, die Huthi-Rebellen in Jemen mit einem Angriff auf eine saudische Ölpipeline beauftragt zu haben. Vor gut einer Woche kam es zu einem verheerenden Zwischenfall mit zwei Tankern im Golf von Oman. Die USA machten Iran für die mutmaßlichen Angriffe verantwortlich. Iran wies dies zurück. Die USA haben daraufhin angekündigt, ihre Militärpräsenz weiter zu verstärken, nachdem Trump bereits im Mai angekündigt hatte, zusätzliche Streitkräfte zu schicken.

Donald Trump hat die jüngste Eskalation am Freitag auch mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman besprochen. Die beiden hätten am Freitag unter anderem darüber diskutiert, wie Saudi-Arabien für Stabilität in der Region sorgen und den internationalen Ölmarkt absichern könne, teilte das Weiße Haus mit. Saudi-Arabien ist Washingtons wichtigster Verbündeter im Nahen Osten, es vertritt die Auffassung, Iran habe mit seinem "aggressiven Verhalten" eine ernste Situation geschaffen. Der saudische Außenminister Adel al-Dschubeir teilte mit, das Königreich sei mit anderen Verbündeten in Beratungen über die nächsten Schritte.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Guterres, gab sich besorgt und forderte alle Parteien auf, "maximale Zurückhaltung zu üben". Der russische Präsident Wladimir Putin sagte, dass ein Krieg zwischen Iran und den USA eine "Katastrophe" wäre. Ein Sprecher der Bundesregierung teilte am Freitag mit, Deutschland werde versuchen, auf Iran einzuwirken. Kanzlerin Angela Merkel habe zuletzt deutlichgemacht, alles dafür tun zu wollen, dass sich die Situation nicht verschärfe.

© SZ vom 22.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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