Immobilien:Teure Heldenverehrung

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Straßenschilder erinnern in den USA an Südstaatengeneräle, wie hier in Stone Mountain im Bundesstaat Georgia. (Foto: Ron Harris/AP)

In den USA sind immer noch mehr als tausend Straßen nach umstrittenen Größen der einst abtrünnigen Südstaaten benannt. Den Preis dafür zahlen Anwohner, die ihr Haus verkaufen wollen.

Von Claus Hulverscheidt

Gewiss, so eine ICE-Strecke gleich hinterm Gartenzaun ist nicht hilfreich, wenn man sein Eigenheim verkaufen will. Und auch die nahe gelegene Mülldeponie oder der Nachbar mit Fernglas auf dem Grundstück nebenan können Käufer abschrecken und den Preis drücken. Aber der Name der Straße? Ist es nicht egal, ob Frau Müller oder Herr Meier dabei Pate stand?

Nicht in den USA, wie die Wissenschaftler T. Clifton Green, Russell Jame, Jaemin Lee und Jaeyeon Lee herausgefunden haben. Nach ihren Recherchen nämlich müssen sich Bürger, die in einer der vielen Hundert Jefferson-Davis-, Robert-E.-Lee-oder Thomas-"Stonewall"-Jackson-Straßen wohnen, beim Verkauf der Immobilie mit einem im Schnitt drei Prozent niedrigeren Erlös begnügen als Hauseigentümer etwa aus der Orchideengasse oder dem Bratpfannenweg. Gleiches gilt, wenn in der Adresse die Worte "Confederate" oder "Dixie" auftauchen - Namen oder Begriffe also, die seit Bürgerkriegszeiten mit den Südstaaten verbunden sind. Davis war einziger Präsident, Lee Heereschef, Jackson ein wichtiger Offizier der sogenannten Konföderation, deren Mitglieder sich unter anderem wegen der Sklavenfrage von der Union losgesagt hatten, 1865 nach vierjährigem blutigen Kampf aber von den Nordstaaten geschlagen und wieder eingemeindet wurden.

Mit dem Erbe des Krieges gehen die Amerikaner bis heute sehr unterschiedlich um. Während Militärhistoriker, aber auch einfache Bürger vor allem Lee weiter als genialen Feldherrn verehren, entfernt man zugleich Statuen, die an ihn erinnern. Die neue Untersuchung zeigt nun, dass der gesellschaftliche Graben, der die USA 157 Jahre nach Kriegsende immer noch spaltet, auch finanzielle Folgen hat.

Viele Menschen wollen nicht in einer Straße wohnen, die sie an Rassismus erinnert

Laut Studie liegen die Preisnachlässe, die Verkäufer mit "Südstaaten-Adresse" gewähren müssen, vielerorts noch deutlich über drei Prozent. Betroffen sind vor allem Regionen, in denen viele Schwarze und Linksliberale wohnen - Menschen also, für die entsprechende Namen, Begriffe und Denkmäler "Symbole von Rassismus" und "weißer Vorherrschaft" sind, wie die Autoren schreiben. Sie fallen als Käufer eines Hauses in der Jefferson-Davis-Straße weg, was den Kreis der Interessenten einengt und den Preis drückt. Ein Heim, das andernorts 500 000 Dollar erlösen würde, bringt dann vielleicht 30 000 Dollar weniger ein. Auch dauert der Verkauf einer solchen Immobilie im Schnitt deutlich länger. Anders sieht es dagegen in den elf Bundesstaaten aus, die seinerzeit die Konföderation bildeten: Hier bewirkt der weithin verbreitete Südstaaten-Patriotismus, dass der Abschlag oft nur gering ausfällt. In Einzelfällen verwandelt er sich sogar in ein kleines Plus.

Die Frage ist nun, ob die Vorlage der Studie Folgen haben wird. Bisher wurden USA-weit nur wenige Straßen mit Südstaatenbezug umbenannt - meist mit dem Hinweis, es sei zu teuer, alle Schilder, Briefbögen und Akteneinträge zu ändern. Nun aber halten Umbenennungsbefürworter ein neues, starkes Argument in den Händen: Hausverkäufer erhielten einfach mehr Geld, wäre ihre Adresse weniger politisch gefärbt. Und bei aller Verehrung für General Lee - beim lieben Geld könnte auch für den ein oder anderen Südstaaten-Patrioten die Freundschaft aufhören.

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