USA erhöhen Militärpräsenz im Westpazifikraum:Go West

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Lange wusste Washington nicht, ob es Peking umarmen oder bekämpfen soll. Nun schickt Obama mehr Soldaten in den Pazifikraum und vollzieht damit eine historische Wende: Die USA stellen sich überraschend eindeutig auf die Seite der Nationen, die sich durch Chinas Machtstreben bedroht sehen.

Stefan Kornelius

Ausgerechnet eine Stadt namens Darwin, ausgerechnet dieser relativ gottverlassene Flecken im Norden Australiens, wird zum Symbol für eine Wende in der Weltpolitik von historischer Dimension. In Darwin werden vom kommenden Jahr an 250 amerikanische Marine-Infanteristen stationiert sein - der jüngste Knotenpunkt in einem globalen Netzwerk von US-Militärbasen. Australien beherbergt wieder amerikanische Soldaten. Darwin ist aber mehr als nur eine Stecknadelmarkierung auf der Landkarte. Darwin ist das Bekenntnis zu einer neuen Weltordnung. Barack Obama hat sie verkündet.

US-Präsident Barack Obama in Darwin mit der australischen Ministerpräsidentin Julia Gillard. (Foto: REUTERS)

Der Präsident deklamierte vor dem australischen Parlament: Die USA sind von nun an eine pazifische Nation. "Während wir die Kriege von heute beenden, habe ich angeordnet, dass unsere Präsenz und unsere Missionen im asiatisch-pazifischen Raum höchste Priorität haben", sprach der Präsident. Was in Europa Ramstein und Grafenwöhr waren, das wird nun bald Darwin sein. Und das ist nur der Anfang.

Tatsächlich hat die strategische Wende auch ein Ziel: China. Selbst wenn Obama es nicht direkt sagte, so steht im Zentrum der neuen Politik die Volksrepublik als potentieller Gegner. Lange schwebte in Washington die Waage in der Balance. Eindämmung oder Umarmung? Konfrontation oder Gleichgewichtspolitik? Die Antwort ist nun gefallen. Überraschend eindeutig und ohne diplomatische Vorbereitung gegenüber Peking positionieren sich die USA an der Seite jener Nationen, die sich durch Chinas Hegemonialstreben in Ostasien bedroht sehen.

Lange hat Obama nach seinem außenpolitischen Kurs gesucht, irrlichternd bewegte er sich durch den Nahen Osten und auch durch Europa. Nun hat er entschieden, Amerika wendet sich westwärts. Die volle Kraft des Sicherheitsapparats, die politische Aufmerksamkeit und mithin das gesellschaftliche und wirtschaftliche Interesse richten sich über die kalifornische Küste hinweg auf den Giganten China und das große geopolitische Spiel, das dort - auch ohne das Zutun der USA - längst in vollem Gang ist.

Die Parlamentsrede Obamas in Canberra ist ein historisches Dokument. An diesem denkbar weit von Europa entfernten Punkt beendet der amerikanische Präsident die transatlantische Exklusivität. Selbstverständlich werden sich die USA weiter zu Europa bekennen. Aber die Schuldenkrise, die Kleinstaaterei, die Zögerlichkeit gegenüber der arabischen Welt und die politische Wirkungslosigkeit in Ostasien und besonders in China machen Europa uninteressant.

Im Schatten der europäischen und arabischen Krisen hat sich in Südostasien und besonders zwischen den Anrainern des Südchinesischen Meeres eine Spannung aufgebaut, die schnell in einen veritablen Konflikt umschlagen kann. Im Boden unter dieser für den Welthandel so bedeutenden Schifffahrtsstraße lagern enorme Rohstoffreserven - Öl und Gas. China beansprucht große Teile des Gewässers als sein Territorium, aber Pekings Anspruch ist schlecht begründet. Die historischen Besitzverhältnisse im Südchinesischen Meer um die wie Kieselsteine verstreuten Paracel- und Spratly-Inseln sind umstritten. Vietnam und die Philippinen erheben nicht weniger glaubwürdige Ansprüche.

Aber Vietnam und die Philippinen sind schwach, weshalb sie seit langer Zeit schon massivem chinesischem Druck ausgesetzt sind. "Wenn diese Länder nicht ihren Umgang mit China ändern, dann werden sie sich auf den Klang der Kanonen vorbereiten müssen", schreibt die chinesische Zeitung Global Times unverblümt. China, mit seinem stark expandierenden Militär, wird von seinen Nachbarn als Bedrohung wahrgenommen.

Amerika greift also in gefährlicher Direktheit ein in diesen sich aufbauenden Konflikt und findet leicht Verbündete. Vietnam sucht die Nähe Washingtons, Außenministerin Hillary Clinton hielt unlängst auf einem US-Kriegsschiff in der Bucht von Manila eine donnernde Rede. Der Auftritt war plump, der Applaus war ihr sicher. Kluge Außenpolitik sieht anders aus.

Und China? Natürlich spiegelt auch Chinas aggressive Nachbarschaftspolitik den stets wachsenden Nationalismus und eine mangelnde außenpolitische Sensibilität in der Führung wider. Nun reagieren die USA und definieren die Überschriften für die neue pazifische Periode: Es geht um Gleichgewichtspolitik, um Abschreckung.

Wiederholt sich also die Geschichte? Wird das pazifische Jahrhundert eine Kopie des transatlantischen mit seinem Kalten Krieg und all dem Rüstungsirrsinn? Es ist noch früher Morgen in der pazifischen Epoche. In Südostasien geht es um Energie und Territorien, es geht um Handelswege, einen Währungskrieg und am Ende auch um Ideologie: Ein autoritäres System verteidigt seine Errungenschaften und fühlt sich bedrängt von einer demokratischen Nation, die ihre Werte nur allzu gerne als Ordnungsmacht in alle Welt trägt.

Die Erfahrung des vorangegangenen Jahrhunderts hätte Obama aber lehren sollen, dass Konflikte nicht nach den Gesetzen Darwins gelöst werden können. Der Preis dafür wäre immens. Obama wird ihn womöglich zu bezahlen haben.

© SZ vom 18.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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