Ähnliches gilt für die Ukraine. Dort war Hunter Biden, der weder über das Gasgeschäft noch über Osteuropa viel wusste, von 2014 an Mitglied im Aufsichtsrat des Gaskonzerns Burisma. Angeblich bekam er dafür ein Honorar von bis zu 50 000 Dollar im Monat. Worin seine Tätigkeit für Burisma bestand, ist nicht geklärt. Was man weiß: Sein Vater war damals für die US-Politik gegenüber der Ukraine zuständig und drängte Kiew, mehr einheimisches Gas zu fördern, um von Russland unabhängiger zu werden. Vor allem aber machte der damalige US-Vizepräsident erfolgreich Druck auf die ukrainische Regierung, einen Staatsanwalt zu entlassen, der wegen Korruption gegen Burisma ermittelt hatte.
Das sah durchaus verdächtig aus. Ein Geschäftspartner hatte Hunter Biden sogar vor dem Posten bei Burisma gewarnt. Allerdings spricht bisher nichts dafür, dass Biden mit seiner Forderung, den Staatsanwalt zu entlassen, seinem Sohn einen Gefallen tun oder diesen gar vor der Justiz retten wollte. Der Staatsanwalt galt in den USA und Europa eher als Hindernis im Kampf gegen Korruption. Auch die EU begrüßte seine Ablösung. Zudem hatte der Staatsanwalt seine Ermittlungen gegen Burisma ohnehin bereits auf Eis gelegt. Man kann daher den Bidens wohl einen eklatanten Mangel an politischem Gespür vorwerfen, nach allem, was man bisher weiß, aber keine korrupte Zusammenarbeit.
Doch für Trump ist dieser Unterschied nicht so wichtig. Er will Joe Biden nicht vor Gericht überführen, sondern - sofern dieser demokratischer Präsidentschaftskandidat wird - im Wahlkampf schlagen. Und politisch ausschlachten lässt sich bereits der Verdacht der Korruption. Umfragen zufolge findet eine relative Mehrheit der Amerikaner, dass Trumps Vorwürfe gegen Joe Biden untersucht werden sollten.
Brisante Textnachrichten
Wie besessen Trump von den Bidens und der Ukraine ist, zeigen auch neue Enthüllungen. Danach war das Telefonat Ende Juli, in dem der US-Präsident seinen ukrainischen Kollegen Wolodimir Selenskij zu Ermittlungen gegen Joe und Hunter Biden drängte, nur ein Teil eines größeren Puzzles. Schon davor hatte Trumps Anwalt Rudy Giuliani Druck auf Selenskij gemacht. Trump hatte zudem die Auszahlung einer Tranche von Militärhilfe in dreistelliger Millionenhöhe an die Ukraine gestoppt. Nach dem Telefongespräch arbeiteten zwei US-Diplomaten, EU-Botschafter Gordon Sondland und der Ukraine-Beauftragte Kurt Volker, an einer Erklärung, welche die ukrainische Regierung abgeben sollte. Darin sollte sich Kiew öffentlich verpflichten, die Vorgänge um Burisma zu untersuchen. Aus Textnachrichten, die Giuliani, Sondland und Volker verschickten und die am Donnerstag bekannt wurden, geht hervor, dass Trump Selenskij erst im Weißen Haus empfangen wolle, wenn dieser die Ermittlungen zugesagt hatte.
Dass das alles eine recht eigenwillige Art der Diplomatie war, mehr zum Nutzen Trumps als der USA, fiel einigen Leuten durchaus auf. "Ich finde es verrückt, Militärhilfe zurückzuhalten, um eine parteipolitische Kampagne zu betreiben", schrieb der frühere US-Botschafter in Kiew, Bill Taylor, Anfang September an Volker und Sondland. "Bill, ich glaube, du missverstehst die Absichten des Präsidenten", antwortete Sondland. "Es gibt hier absolut keine Tauschgeschäfte."
Aber genau das werfen die Demokraten Trump vor, ein erpresserisches Tauschgeschäft: Washington zahlt nur, wenn Kiew gegen die Bidens ermittelt. Und genau deswegen haben sie ein Impeachment begonnen. Am Freitag richteten sich drei führende Demokraten zudem auch an Vizepräsident Mike Pence. Er solle alle relevanten Dokumente zur Frage bereitstellen, ob er Trump dabei half, Ermittlungen in der Ukraine gegen Biden anzuregen. Trump, der sich ziemlich sicher sein kann, dass seine republikanischen Parteifreunde im Senat eine Verurteilung verhindern und ihn im Amt halten werden, scheint all das egal zu sein. Am Donnerstag stand er vor dem Weißen Haus und wiederholte nicht nur seine Forderung, dass Kiew gegen den früheren Vizepräsidenten ermitteln sollte. Auch Peking riet er, sich Vater und Sohn Biden einmal genauer anschauen: "Was in China passiert ist, ist genauso schlimm wie das in der Ukraine."