Midterms:Texas bleibt sich treu

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Verteidigte seinen Senatssitz: der Republikaner Ted Cruz in Texas. (Foto: REUTERS)
  • Der Republikaner Ted Cruz verteidigt in Texas seinen Senatssitz gegen den demokratischen Kongressabgeordneten Beto O'Rourke.
  • Nur 230 000 Stimmen fehlten O'Rourke am Ende. Ihm wird dennoch eine große politische Zukunft vorhergesagt.

Von Johannes Kuhn und Beate Wild, Austin

Am Tag vor den Midterms war die "Betomania" noch grenzenlos gewesen, am Wahlabend hieß es: Texas gonna texas - Texas tut, was Texas tut. Und das heißt: Wenn es um größere Ämter geht, wählt der Bundesstaat Konservative. Und so verteidigte der Republikaner Ted Cruz seinen Senatssitz gegen den demokratischen Kongressabgeordneten Beto O'Rourke.

O'Rourke reiht sich damit in eine ganze Reihe erfolgloser Senatswahlkämpfer der Demokraten im Jahr 2018 ein. Doch was heißt erfolglos? Nur 230.000 Stimmen fehlten dem Herausforderer am Ende, und dass sein politischer Weg zu Ende ist, glaubt niemand.

Der 46-Jährige war als Marathon-Mann seit Monaten mit dem Auto durch alle 254 texanischen Bezirke gereist und hatte seinen Wahlkampf auf Social Media dokumentiert. Die US-Medien gaben ihm das Attribut "kennedyesk" und erklärten Cruz vs. Beto zur wichtigsten Wahl des Jahres.

Finanziell brach der Senatswahlkampf historische Rekorde: Cruz sammelte 30 Millionen US-Dollar, O'Rourke satte 70 Millionen, obwohl er auf Geld von Firmen verzichtete. Aus dem ganzen Land schickten Demokraten Schecks und gute Wünsche. Um dann am Wahlabend darüber zu schimpfen, was Texas doch für ein Hinterwäldler-Staat sei.

Ein anderes Texas: Hoffnung oder Horrorvision?

Der Kandidat selbst blieb auch in der Niederlage bei seiner positiven Botschaft. Als er er in seiner Heimatstadt El Paso unweit der mexikanischen Grenze auftrat, rief er: "Ich bin so inspiriert und so hoffnungsvoll wie noch nie in meinem Leben. Dass wir heute Nacht verloren haben, wird in keiner Weise meine Gefühle zu Texas oder diesem Land mindern." Als er von der Bühne ging, tönte aus den Lautsprechern John Lennons "Imagine".

Auch Cruz redete am Wahlabend Houston von einer Wahl der "Hoffnung und Zukunft". Der Senator, der für seinen Duktus des predigenden Anwalts bekannt ist, hatte sich allerdings seit seiner ersten Wahl 2012 allzu sehr um die eigene Zukunft gekümmert. Dass er sich mehr um seine Präsidentschaftskandidatur als um texanische Anliegen sorgte, nahmen Parteifreunde im Lone-Star-State durchaus mit Befremden zur Kenntnis. Vor wenigen Tagen raunten diese - natürlich anonym - im Magazin Politico, der wenig beliebte Cruz sei dieses Jahr schlagbar gewesen. O'Rourke hätte sich nur nicht so eindeutig als Demokrat zu erkennen geben sollen.

Tatsächlich war das Programm O'Rourkes für texanische Verhältnisse äußerst links: Waffenkontrolle, eine allgemeine Krankenversicherung und Marihuana-Legalisierung sollten eine Koalition von Demokraten, Minderheiten und jungen bisherigen Nichtwählern hinter ihm vereinen. Die Republikaner karikierten ihn als Sozialisten und beschuldigten ihn, das freie Texas zum überregulierten und hoch besteuerten Kalifornien machen zu wollen, das unter Konservativen als inoffizieller Nachfolgestaat der Sowjetunion gilt.

Sogar ein Propellerflugzeug kreiste über dem Land und zog hinter sich die frohe Botschaft her: "Kein Beto, weil Sozialismus beschissen ist". O'Rourke solle doch einfach versuchen, einem Einbrecher nicht mit einer Schusswaffe zu begegnen, sondern sein Skateboard zu werfen oder einen Triple Mocca Latte, spottete Cruz über dessen Idee, Waffenkäufer besser zu überprüfen.

O'Rourke hätte jetzt Zeit - für den Präsidentschaftswahlkampf

2018 war das 20. Jahr in Folge, in dem die Republikaner alle Posten gewannen, über die im gesamten Bundesstaat abgestimmt wurde - vom Gouverneur über den Senatssitz bis zum Landbeauftragten, wo sich gerade mit George P. Bush ein weiterer Spross der Präsidenten-Dynastie politisch warmläuft. Doch dieses Mal musste sich die Partei strecken, die Abstände waren kleiner, weil die vier Millionen Beto-Wähler auch bei anderen Demokraten ihr Kreuz machten.

Das brachte einige sicher geglaubte Bezirke zu Fall: Im Großraum Houston wählten die Bewohner die langjährigen Repräsentantenhaus-Abgeordneten Pete Sessions und John Culberson ab, ein drittes Rennen weiter westlich muss nachgezählt werden. Mit Veronica Escobar und Sylvia Garcia schickt Texas erstmals zwei Latinas Texas nach Washington. Obwohl Latinos 40 Prozent der Bevölkerung in Texas ausmachen, ist es das erste Mal, dass hispanische Frauen in den Kongress gewählt wurden.

O'Rourke verkörpert das Gesicht eines sich verändernden Texas, so die Hoffnung der örtlichen Demokraten in der Niederlage. Der Bundesstaat wird urbaner und progressiver. Metropolen wie Austin, Houston, Dallas und San Antonio ziehen ausgebildete Fachkräfte an, die eine liberale Einstellung mitbringen. Texas erinnert an Virginia, das seit Anfang des Jahrtausends von einem tiefroten zu einem eindeutig blauen Bundesstaat wurde. Allerdings hat der progressive Teil von Texas schon häufiger auf eine Zukunft gewartet, die aber Zukunft blieb.

Dass Beto O'Rourke seine Augen auf größere Ziele richten sollte, war am Dienstagabend häufiger zu hören. Da er seinen Sitz im Repräsentantenhaus aufgegeben hat, hätte er nun viel Zeit, mit seinem Auto die Bezirke des ersten Vorwahl-Staats Iowa zu bereisen. Besonders euphorische Zeitgenossen erinnern daran, dass Abraham Lincoln bei der Senatswahl 1858 in Illinois auch eine Schlappe erlebte - und zwei Jahre später zum Präsidenten gewählt wurde.

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