US-Midterms:Triumph der progressiven Frauen

  • Bei den Midterms gab es viele erste Male - vor allem für Frauen und Minderheiten.
  • Ilhan Omar (Minnesota) und Rashida Tlaib (Michigan) sind die beiden ersten Muslima, die als Abgeordnete nach Washington gehen.
  • Sharice Davids (Kansas) und Deb Haaland (New Mexico) ziehen als erste Vertreterinnen der Native Americans ins Repräsentantenhaus ein.

Von Beate Wild, Austin

Eine somalische Muslimin, eine lesbische Native American, eine Linke mit puerto-ricanischen Wurzeln als jüngste jemals gewählte Frau im Kongress: Bei den Midterms gab es viele Premieren - vor allem für Frauen und Minderheiten. Erstmals in der Geschichte der USA ziehen so viele frische Gesichter aus diesen Bevölkerungsgruppen ins Repräsentantenhaus ein und bestimmen damit künftig die Politik in Washington mit. Für die Demokraten ist das der größte und nachhaltigste Erfolg des Wahlabends.

Ersten Hochrechnungen zufolge haben 96 Frauen Sitze im Repräsentantenhaus gewonnen, 31 von ihnen sind neu gewählte Volksvertreterinnen. Die Gewinnerinnen stehen für eine neue Generation von Abgeordneten. Sie sind weiblich, jung, divers. Viele sind linker als ihre alteingesessenen Kolleginnen und machen sich mit großer Lust an einen politischen Umbruch, der für die Demokraten mit der Rückeroberung des Repräsentantenhauses gerade seinen Anfang nimmt.

Da sind Ilhan Omar (Minnesota) und Rashida Tlaib (Michigan). Sie sind die beiden ersten Musliminnen, die als Abgeordnete nach Washington gehen. Omar kam in den 90ern als Flüchtling aus Somalia in die USA und lebte davor vier Jahre in einem Flüchtlingslager in Kenia. Die 37-jährige Lehrerin ist seit 2012 politisch aktiv und war zuletzt Direktorin des Women Organizing Women Network. Tlaib stammt aus Detroit und ist die Tochter palästinensischer Einwanderer. Die 42-Jährige gilt als sehr progressiv und ist Mitglied der Democratic Socialists of America.

Der Sieg der beiden Musliminnen ist schon deswegen ein besonderer Triumph, weil die politische Rechte einige islamfeindliche Kandidaten stellte und auch sonst das Klima in den USA - zumindest seit Trumps Einreisebann gegen muslimische Länder - tendenziell islamfeindlicher wird.

Da sind aber auch Sharice Davids (Kansas) und Deb Haaland (New Mexico). Die beiden ziehen als erste weibliche Native Americans ins Repräsentantenhaus ein. Davids ist Mitglied der Ho-Chunk Nation of Wisconsin, Kampfsportlerin in Mixed Martial Arts und lesbisch. "Wir werden dieses Jahr mehr Frauen wählen, mehr Leute aus der LGBT-Community und mehr Minderheiten", hatte Davids den Ausgang der Wahl voraus gesagt.

Haaland gehört zum Laguna-Pueblo-Stamm und war schon Vorsitzende der Demokratischen Partei in New Mexico. Sie fordert einen gesetzlichen Mindestlohn, den kostenlosen Zugang zu Universitäten und eine Krankenversicherung für alle.

Die Wahl der beiden ist für die Ureinwohnerinnen Amerikas ein Hoffnungsschimmer, dass ihre Sorgen und Nöte in Washington künftig gehört werden. Nach ihrem Sieg twitterte Haaland: "Heute Nacht haben wir Geschichte geschrieben."

Republikaner sind gegen Identitätspolitik

Auch anderswo in den Vereinigten Staaten schafften es Frauen, sich einen Platz in den Geschichtsbüchern zu sichern. Etwa in Boston, dort gewann Ayanna Pressley, die als erste Afro-Amerikanerin für Massachusetts in das Repräsentantenhaus einzieht. Oder in New York City, wo Alexandria Ocasio-Cortez siegte. Die Demokratin mit puerto-ricanischen Wurzeln vertritt ein sehr linkes Programm, ist Mitglied der "Democratic Socialists" und wird mit ihren 29 Jahren nun das jüngste Mitglied des Repräsentantenhauses.

Die gewählten Frauen könnten nicht nur die Richtung ihrer Partei verändern, sondern den politischen Ton in Washington neu definieren. Sie könnten dazu beitragen, den zweiten Teil von Trumps Amtsperiode entscheidend zu beeinflussen. Denn eines steht jetzt schon fest: Das neue demokratische Repräsentantenhaus wir den Präsidenten mit Sicherheit unter Druck setzen - und wohl auch zu einigen Wutanfällen auf Twitter verleiten.

Doch auch wenn Frauen wie Ocasio-Cortez derzeit gefeiert werden als neue Sterne am Demokraten-Himmel: Ein massiver Linksschwenk in der Partei ist das noch nicht. "Die Erzählung, dass die Partei nach links rückt und die ganze Energie von den extrem Linken kommt, ist nicht wahr", analysierte kürzlich der Think Tank "Third Way" in Washington, der politisch Mitte-links anzusiedeln ist. Die meisten Wähler, die vor zwei Jahren noch für die Republikaner stimmten, sich dieses Mal aber für die Demokraten entschieden haben, dürften nicht durch linke Programmatik motiviert worden sein, sondern durch ihre Wut auf Trump und ihre Sorge um den Verlust der Krankenversicherung.

Einen derartigen Wählerumschwung gab es im Übrigen schon einmal. 2006 wählten viele unabhängige Wähler und moderate Konservative die Demokraten, um den Republikanern die Kontrolle über das Repräsentantenhaus zu entziehen. Damals hieß der Präsident George W. Bush und das Hauptmotiv war der Irakkrieg.

Republikaner sind an Frauenförderung nicht interessiert

Die Demokraten haben es geschafft, mehr Frauen und Minderheiten in Ämter zu bringen. Bei den Republikanern traten in diesem Jahr hingegen weniger Frauen an als noch vor zwei Jahren. Und die Kandidatinnen waren überwiegend weiß.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Parteien: Bei den Demokraten gibt es viele Organisationen wie etwa Emily's List, die Frauen bei ihrer Kandidatur unterstützen. Hier bekommen die Frauen Coachings und Workshops, finanzielle Starthilfe für ihre Kampagne, Hilfe bei der Strategie oder auch einfach Kontakte.

Bei den Republikanern gibt es diese Infrastruktur nicht. Den Konservativen ist Frauenförderung traditionell ziemlich egal, sie sind sogar explizit gegen Identitätspolitik - finden also, dass Minderheiten und Frauen nicht zwangsläufig im politischen Personal vertreten sein müssen. Nach dem Motto: Wir nehmen den Kandidaten, der am besten scheint. Und das ist im Fall der Republikaner ganz überwiegend ein Mann. Hautfarbe und Geschlecht spielen keine Rolle. Das macht es natürlich schwer für die Partei, Frauen bei der Rekrutierung von Kandidaten zu fördern.

Bei der Präsidentschaftswahl 2020 werden sich also zwei Parteien gegenüberstehen, die demografisch immer unterschiedlicher sind. Während die Demokraten über einen bunten, progressiven Haufen an Kandidaten verfügen, bleiben die Republikaner hauptsächlich weiß. Und männlich.

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