US-Veteranen:Kein Platz für Helden

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Ein US-Veteran vor der Gedenkstätte zum Zweiten Weltkrieg in Washington D.C. (Foto: AFP)

Amerika vernachlässigt seine Kriegsheimkehrer: Vielen fehlt es am Nötigsten, etwa medizinischer Versorgung. Doch die Militärkliniken sind so überlastet, dass manche Veteranen sterben, bevor sie einen Termin bekommen. In der Öffentlichkeit regt sich Unmut.

Von Nicolas Richter

Jetzt sind alle unheimlich sauer. Präsident Barack Obama ließ ausrichten, er sei, wörtlich übersetzt, "zorniger als die Hölle". Sein Minister Eric Shinseki sagte, er sei "zornig wie die Hölle". Aber viele Beobachter haben das Gefühl, bloß Plattitüden zu hören, wo Demut angebracht wäre. Der Komiker Jon Stewart sagte über Shinseki: "Sein 'Zornig wie die Hölle'-Gesicht sieht so aus wie ein 'Oh, uns ist der Orangensaft ausgegangen'-Gesicht."

Nein, die Öffentlichkeit möchte sich diesmal nicht mit der üblichen Routine der Skandalbewältigung begnügen, denn dieser Skandal könnte ausnahmsweise ein echter sein. Opfer sind Amerikas Kriegsheimkehrer, jene Veteranen, die in politischen Sonntagsreden stets als Helden, echte Helden oder letzte echte Helden gefeiert werden. Im Alltag aber müssen sie um das Notwendigste kämpfen, etwa um einen Arzttermin. Es kommt vor, dass sie sterben, bevor sie den Arzt sehen.

Im Mittelpunkt der Affäre steht ein Krankenhaus für Veteranen in Phoenix. Der Sender CNN hat enthüllt, dass die Militärklinik so überlastet war, dass sie zu tricksen begann. In ihrem elektronischen Terminkalender, den die Aufseher in Washington mitlesen konnten, sahen die Abläufe zügig und effizient aus. Doch führte man in Phoenix noch eine zweite, die echte Warteliste - und zwar auf Papier.

Die Engpässe sind lange bekannt

So wollte die Verwaltung verheimlichen, dass bis zu 1400 Veteranen viel zu lang auf Behandlungen warteten. 40 von ihnen sollen gestorben sein, bevor es so weit war. An mehr als einem Dutzend anderer Standorte in den USA soll es eine ähnliche Mischung aus Organisationsversagen und Vertuschung gegeben haben.

Ob die Wartezeit die Ursache war für den Tod der Betroffenen, oder zumindest lebensgefährlich, untersucht die Regierung jetzt. Aber im Prinzip sind die Engpässe seit einem Jahrzehnt bekannt. Der Grund ist, dass das Land etliche Kriege geführt hat, zuletzt in Afghanistan und im Irak, und nun zu wenig Geld übrig hat für jene, die einst in die Schlacht geschickt wurden. Obwohl das Budget für Veteranen mehr als 60 Milliarden Dollar schwer ist, scheint das Geld nie zu reichen.

Für viele kommt der Skandal zu spät

Die meisten Angriffe gelten nun Shinseki, 71, dem Veteranen-Minister. Dass Washington einen Veteranen-Minister beschäftigt, zeugt schon vom Stellenwert der Kriegsheimkehrer. Shinseki ist selbst Veteran, in Vietnam hat er Teile seines rechten Fußes verloren, aber die Affäre zehrt an seinem Ruf. "Er hat sich geopfert für sein Land, aber er ist auch verantwortlich für die heutige Lage", sagt der Abgeordnete David Scott, ein Parteifreund Obamas. Andere Demokraten haben sogar Shinsekis Rücktritt verlangt. Sie möchten sich im Wahlkampf keine Blöße geben.

Für Obama ist der Skandal ein persönlicher Rückschlag. Er und seine Frau Michelle haben sich immer als Kämpfer für Militärfamilien ausgegeben. Obama hat die Kriege nicht begonnen, aus denen nun so viele Versehrte zurückkehren, aber er ist als Oberbefehlshaber eben ihr Beschützer.

Bislang hat er nur vage angekündigt, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Für manche der Veteranen käme jede Änderung zu spät: etwa für einen 71-Jährigen, der monatelang auf einen Termin gewartet hatte. Als die Klinik ihn einbestellen wollte, war er an Blasenkrebs gestorben.

© SZ vom 24.05.2014/uga - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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