US-Senat ändert Filibuster-Regeln:Ende der Dauerreden

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Die US-Demokraten wagen den Tabubruch bei der Filibuster-Regelung im Senat. Die Republikaner sind erzürnt über die Beschneidung von Minderheitenrechten. (Foto: AFP)

Die sogenannte Filibuster-Regelung ist ein Kuriosum der US-Politik. Doch das Dauerreden lähmt das Parlament, erschwert das Regieren und vor allem verärgert es Präsident Obama. Jetzt wurde die Regelung teilweise gekippt - ein Tabubruch.

Nach jahrelangem erbitterten Streit hat der US-Senat Regelungen zum Dauerreden, die sogenannte Filibuster-Regelung, geändert - und den Republikanern die Möglichkeit einer weiteren Blockadepolitik bei Personalfragen geraubt. Künftig genügt bei den meisten Nominierungen die einfache Mehrheit, um Debatten oder Dauerreden zu beenden und eine Abstimmung zu erzwingen - bisher mussten 60 der 100 Senatoren zustimmen.

Doch die Änderung dürfte das politische Klima in Washington weiter vergiften. "Genug ist genug", sagte Präsident Barack Obama. "Das heutige Muster der Blockade ist nicht mehr normal." Er fügte hinzu: "Das Getriebe der Regierung muss funktionieren." Republikaner reagierten empört. "Das dürften Sie sehr viel schneller bereuen, als sie annehmen", sagte der Republikaner-Führer im Senat, Mitch McConnell. Dagegen meinte sein demokratischer Gegenspieler Harry Reid: "Das amerikanische Volk hat die Nase voll von der Blockade."

Das Vorgehen der Demokraten stellt einen Tabubruch dar. Kommentatoren in Washington sprachen von einem historischen Schritt und den wichtigsten Änderung der Parlamentsregeln seit vielen Jahrzehnten. Die New York Times sprach von einem "Meilenstein", die Washington Post von einer dramatischen Veränderung der politischen Landschaft, CNN von einem "historischen Augenblick".

In seiner Ausprägung weltweit einmaliges Kuriosum

Der Filibuster erscheint zwar als kuriose Eigenart des politischen Systems der USA, gilt als Machtinstrument für die Minderheit aber eigentlich als unantastbar. Die Regelung basiert auf dem unbegrenzten Rederecht, das Volksvertretern im Senat zusteht. Dieses Recht haben Senatoren in der Geschichte immer wieder dazu genutzt, unliebsame Gesetze zu torpedieren oder eine Nominierung zu verhindern. Für die parlamentarische Guerilla-Taktik bürgerte sich der Begriff Filibuster ein, der sich von einem französischen Wort für Freibeuter - flibustier - ableitet. Seit einer Änderung der Verfahrensregeln vor einigen Jahren reicht heute schon die bloße Androhung einer Marathonansprache, um den Gesetzgebungsprozess lahmzulegen. Um die Blockade zu brechen, mussten traditionell 60 der hundert Senatoren für ein Ende des Filibusters votieren.

Der republikanische US-Senator Ted Cruz redete 21 Stunden gegen Obamas Gesundheitsreform an. Doch damit soll jetzt zumindest in einigen Personalfragen Schluss sein. (Foto: AFP)

Präsident Obama war in den vergangenen Wochen und Monaten mehrfach schwer verärgert, weil Republikaner seit Monaten viele Nominierungen für hohe Behördenposten blockiert hatten. 52 Senatoren stimmten für die Änderung, 48 dagegen. Allerdings bedeutet dies kein generelles Ende des Filibustern. Es ging lediglich um die Regeln bei personellen Nominierungen des Präsidenten, dem der Senat zustimmen muss. Zudem sind die besonders wichtigen Nominierungen zum Obersten Gerichtshof ausgenommen. Auch das verabschieden von Gesetzen kann künftig weiter durch Dauerreden hinausgezögert oder gar verhindert werden.

Erst vor wenigen Monaten hatte der republikanische Senator Ted Cruz mit einem 21-stündigen Redemarathon gegen Obamas Gesundheitsreform Schlagzeilen gemacht - und dabei unter anderem aus Kinderbüchern vorgelesen. Einige Wochen zuvor wollte eine Demokratin eine Verschärfung des Abtreibungsgesetzes verhindern - mit einer elfstündigen Rede. 1977 habe eine demokratischer Senator es gar auf 43 Stunden am Rednerpult gebracht.

In kaum einem anderen Land hat das Obstruktionsmittel des Dauerredens eine derartige Bedeutung wie im Senat in Washington. In Berlin etwa gibt es feste Redezeiten. Wer diese überschreitet, der riskiert, das Mikrofon abgeschaltet zu bekommen. Ursprünglich war die Regelung als eine Art Minderheitenschutz gegen übermächtige Präsidenten- und Parteienmacht gedacht - jetzt nutzt es der Fundamentalopposition.

© Süddeutsche.de/dpa/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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