US-Präsident auf Werbetour:Barack Obama im Nahkampf um die Wankelmütigen

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Der mächtigste Mann der Welt bestellt Spiegeleier auf dem Bauernmarkt. Er kauft Pfirsiche und Mais und schüttelt unzählige Hände. Barack Obama startet seine Wahlkampf-Tour in den entscheidenden Swing States. Er wird mit deutlich mehr Skepsis empfangen als 2008. Aber die Zahlen sind auf seiner Seite.

Reymer Klüver, Washington

Es ist so wie vor vier Jahren - fast so. Wieder schüttelt Barack Obama unzählige schwitzende Hände nach seinen Wahlreden, lässt seinen Bus zum Frühstück vor Hamburger-Lokalen wie Ann's Place im Provinznest Akron im Bundesstaat Ohio oder auf dem Bauernmarkt von Bergman Orchards (am Lake Erie, ebenfalls in Ohio) halten, um Spiegeleier mit Schinkenspeck zu bestellen und Pfirsiche und Mais zu kaufen.

Mit Schweißperlen auf der Stirn: Barack Obama bei einem Wahlkampfauftritt in Pittsburgh, Pennsylvania. (Foto: AP)

Die Stimmung ist freundlich, manche sind begeistert, wie damals. Doch sind deutlich mehr skeptische Stimmen zu hören - am Rande der Wahlkampftermine. "Ich weiß nicht, ob unsere Gemeinde ihm gegenüber positiv eingestellt ist oder negativ", sagt beispielsweise Traci Riechman, eine Justizangestellte in Oak Harbor in Ohio, der New York Times nach einem Hamburger-Stop Obamas.

Es ist kein Zufall, dass Obama zum Auftakt seines Sommerwahlkampfs ausgerechnet in Ohio (wo seine Wahlkampagne 40 Büros unterhält, mehr als in jedem anderen Bundesstaat) und Pennsylvania seinen Tourbus bestiegen hat: Sie zählen zu den swing states, jenen Bundesstaaten, in denen nicht klar ist, für wen sich die Mehrheit der Wähler bei der Präsidentschaftswahl entscheiden wird.

Sieben Bundesstaaten entscheiden die Wahl

An wen aber diese Staaten am 6. November gehen - an Obama oder seinen republikanischen Herausforderer Mitt Romney -, bestimmt, wer nächster Präsident der Vereinigten Staaten wird. Und da ist bisher nur eines sicher: Es wird knapp.

Neun Bundesstaaten hatte Obama 2008 gewonnen, die vier Jahre zuvor an George W. Bush gegangen waren: Colorado, Florida, Indiana, Iowa, Nevada, New Mexico, North Carolina, Ohio und Virginia. Zwei davon kann man wohl gleich von der Liste streichen: Indiana und North Carolina. Hier dürfte Romney eine Mehrheit finden, wie beide Seiten sagen.

Bleiben ganze sieben Bundesstaaten, die die Wahl entscheiden werden. Hinzu kommen noch eine gute Handvoll anderer Staaten, wo sich die eine oder die andere Seite Hoffnungen macht: in Michigan, New Hampshire, Pennsylvania und Wisconsin die Republikaner, in Arizona und Missouri die Demokraten.

Obama liegt knapp vorne

In den meisten dieser Bundesstaaten sah es in den vergangenen Jahren nicht gerade gut aus für die Demokraten. Ausgerechnet in den bevölkerungsreichsten Staaten Florida, Ohio, Michigan und Virginia haben sich bei den Wahlen 2010 republikanische Gouverneure durchgesetzt - ein nicht zu unterschätzender Vorteil, weil der politische Apparat des jeweiligen Bundesstaats Romney und nicht dem Präsidenten zur Verfügung steht.

Dennoch sehen die Umfragezahlen im Augenblick Obama in Führung: In fast allen swing states liegt der Präsident im Schnitt mit zwei, drei Prozentpunkten vor Romney; mancherorts - wie in Pennsylvania - sogar um acht Prozent. Nur in Arizona und Missouri hat Romney die Nase vorn. Das kann sich alles noch gewaltig ändern, die vier Monate bis zur Wahl sind in der Politik eine Ewigkeit.

Urlaubsbilder des US-Präsidentschaftskandidaten
:Romneys olympische Wahlkampfspiele

Familienurlaub ist Pflichtprogramm für die Romneys. Der US-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney zitiert seine Söhne samt Frauen und Kindern jedes Jahr in ein Ferienanwesen. Dort präsentieren der Republikaner der amerikanischen Öffentlichkeit traute Familienidylle. Eine perfekte Wahlkampfinszenierung.

Friederike Hunke

Ganz von ungefähr aber kommt der leichte Vorsprung des Präsidenten nicht, wenn man die Grundthese akzeptiert, dass vor allem die Wirtschaftsentwicklung die Wahl entscheiden wird, genauer gesagt: der Trend der wirtschaftlichen Entwicklung. Glauben die Wähler, dass es aufwärts geht, ist das gut für den Amtsinhaber. Kippt die Stimmung hingegen und befürchten sie, dass sich die Konjunktur eintrübt, erhöht das die Chancen für den Herausforderer.

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Friederike Hunke

Im Augenblick hat Obama die Wirtschaftsdaten und damit die Stimmung auf seiner Seite - gerade in den swing states. Viele von ihnen wie Florida, Nevada und Ohio waren von der Rezession besonders früh und besonders hart betroffen. Und sie machen jetzt wirtschaftlich größere Sprünge nach vorn als der Rest der USA.

In Ohio zum Beispiel fiel die Arbeitslosenquote auf 7,3 Prozent und liegt damit ein Prozent unter dem Bundesdurchschnitt. In Virginia sank sie gar auf nur mehr 5,6 Prozent. In Florida hat Romneys Wahlkampfteam bereits den republikanischen Gouverneur Rick Scott stillschweigend gebeten, den Aufwärtstrend der Wirtschaft in dem Bundesstaat nicht mehr allzu sehr zu betonen.

Richtig schlecht in Florida und Nevada

Analysten der Ratingagentur Moody's haben mit den Daten vor wenigen Wochen ihre Computer gefüttert und sagen einen Wahlsieg Obamas voraus. Entscheidend dafür sei eben die Wirtschaftsentwicklung in den swing states. Dort begünstigten vor allem die Arbeitslosenzahlen den Präsidenten: Denn überall dort, wo die Rate unter acht Prozent liege, falle der grumpy voter effect, der Grantler-Effekt, weitgehend weg. Falle die Quote unter die Marke von acht Prozent, so die Statistiker, rechneten die Wähler dem Amtsinhaber jeden Aufwärtstrend der Wirtschaft deutlich mehr an.

Stimmt diese auf der Auswertung vergangener Wahlen beruhende Hypothese, steht es um Obama gut etwa in Iowa, Ohio, New Hampshire und Pennsylvania, Virginia und Wisconsin, nicht ganz so gut in Colorado und Michigan und richtig schlecht in Florida und Nevada.

Noch ein weiterer Faktor könnte indes Obama begünstigen - oder zumindest die weitverbreitete Enttäuschung über seine Amtszeit ausgleichen helfen: Die Zahl der Wähler, die Minderheiten angehören und 2008 in überwältigendem Maße für ihn gestimmt haben - Schwarze, Hispanics - hat in den meisten der swing states zugenommen: in Virginia beispielsweise um drei Prozent, in Florida, in Ohio um ein, in Nevada sogar um vier Prozent.

Erinnerungen an Kerry und Dukakis

Die Zahlen in den swing states (und der Schock der völlig unerwarteten Entscheidung des Supreme Court zugunsten der Gesundheitsreform Obamas) machen einflussreiche Konservative offenkundig nervös. Romneys Wahlkampftruppe wirke "konfus, noch dazu politisch dumm", donnerte die Meinungsseite des Wall Street Journal erst am Donnerstag. Langsam, aber sicher sei Romney dabei, "eine historische Chance zu verspielen". ( Mehr zu der Kritik der konservativen Presse lesen Sie in diesem SZ-Artikel.)

Und im Weekly Standard, dem Leitmagazin für die Parteirechte, verglich Chefredakteur Bill Kristol am selben Tag Romney mit zwei gescheiterten Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, die ebenfalls ihre politische Heimat in Massachusetts hatten: John Kerry und Michael Dukakis. Beide machten in den Wahlkämpfen 2004 und 1988 keine gute Figur. "Ist es zu viel verlangt zu bitten, dass Mitt Romney endlich den Autopiloten ausschaltet und beginnt, über das Rennen wirklich nachzudenken?", fragt Kristol sarkastisch. Er war allerdings noch nie ein Fan Romneys.

© SZ vom 07.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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