US-Außenpolitik:Obama, der Vakuum-Präsident

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Barack Obama vor wenigen Tagen auf dem Weg nach Saudi-Arabien. (Foto: AFP)

Amerikas Zurückhaltung nach Jahren der Hybris ist kein schlechtes Signal. Dadurch ist aber auch ein gefährliches Vakuum entstanden - denn für Washington gibt es keine Auszeit von der Welt.

Kommentar von Stefan Kornelius

Als Barack Obama vor wenigen Monaten der Zeitschrift The Atlantic sein außenpolitisches Vermächtnis diktierte, tauchte in dem Artikel der australische Premier Malcolm Turnbull auf mit der Frage an den Präsidenten, ob die Saudis nicht seine Freunde seien. "Es ist kompliziert", antwortete Obama.

So ist es: Die Welt ist kompliziert, das saudisch-amerikanische Verhältnis ist kompliziert, und die Beziehung zwischen Deutschland und den USA ist ebenfalls ein wenig kompliziert. Obama, der gerade eine Abschiedstour durch komplizierte Weltregionen unternimmt, ist es geradezu physisch anzumerken, wie wenig er sich einlassen will auf komplizierte Probleme. Oder umgekehrt: wie sehr er dem Bedürfnis folgt, sein Land aus den Händeln dieser Welt herauszuhalten.

Richtig: Exakt für dieses Rückzugsversprechen wurde Obama gewählt, deshalb jubelten ihm schon vor acht Jahren Hunderttausende vor der Siegessäule in Berlin zu. Dieser Präsident stellte die Welt jedoch vor eine bemerkenswerte Herausforderung: Wie eigentlich soll der Laden funktionieren, wenn die USA stillhalten, wenn sich die Supermacht für unzuständig erklärt?

Obama hat den Einfluss der USA beschränkt. Ob das gutgeht?

Die US-Diplomatie würde den Vorwurf der Tatenlosigkeit brüsk zurückweisen. Ehrlicherweise muss man ja zugeben, dass die Welt in den acht Obama-Jahren durchaus viel von Washington gesehen und gehört hat; manchmal mehr, als alle ertragen konnten - siehe Snowden. Aber es macht eben einen Unterschied, ob der Präsident die Diplomatie um einen Ukraine-Krieg zur Chefsache erklärt oder ob er seinen Außenminister schickt.

Obamas Wappenspruch war nicht schlecht gewählt: "don't do stupid shit" - "bau keinen Mist". So aber stellt sich am Ende der Präsidentschaft die Frage: Wenn klar ist, dass Obama dumme Fehler vermieden hat, so bleibt doch die Frage, wo er klüger hätte handeln sollen.

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In einem Zeitungsbeitrag suggeriert Boris Johnson, wegen seiner kenianischen Wurzeln hege der US-Präsident eine Abneigung gegen Großbritannien. Dahinter steckt etwas anderes.

Saudi-Arabien, wo der Präsident seine derzeitige Reise begonnen hat, liefert das perfekte Beispiel für dieses Problem. Keine Weltregion hat in den vergangenen Jahren einen blutigeren Kampf um Vorherrschaft erlebt als der Nahe Osten. Der amerikanische Abzug aus dem Irak hat ein Vakuum geschaffen, das der "Islamische Staat" und seine sunnitischen Helfer aus der Saddam-Zeit schnell gefüllt haben. Die von Iran unterstützten Gegenkräfte haben das Schlachtfeld ebenso besetzt.

Als Obama nach dem Giftgasangriff des Assad-Regimes in Syrien die von ihm selbst gezogene rote Linie ignorierte und der chemischen Abrüstung den Vorzug gab, interpretierten das nicht wenige Spieler in der Region als weiteres Zeichen amerikanischer Schwäche. Gleichzeitig erlebte Iran eine große politische Aufwertung durch den Nuklear-Deal mit den USA und die Aufhebung der Sanktionen.

Es kann nicht verwundern, dass die klassischen Verbündeten in der Region - wie Ägypten oder Saudi-Arabien - Amerika als Ordnungsmacht abgeschrieben haben, dass sie plötzlich wieder mit Russland tänzelten, und dass selbst einst treue US-Verbündete wie die Türkei auf eigene Rechnung Krieg führen.

Wohlgemerkt, Obama hat nichts falsch gemacht. Aber der Nahe Osten ist durch die amerikanische Zurückhaltung nicht unbedingt ein besserer Ort geworden. Beispiel Europa: Auch hier zeigt sich, wie schnell und gefährlich das Spiel mit der Balance ist, wenn ein Gewicht auf der Waage plötzlich verloren geht. Der rasche Aufstieg Deutschlands als Führungsnation wider Willen ist nicht nur der Schwäche der europäischen Partner geschuldet, sondern auch der Abwesenheit der USA.

So hinterlässt Obama ein zwiespältiges Erbe

Das Vakuum, das Washington im Umgang mit Russland geschaffen hat, konnte von Deutschland aber nur zum Teil gefüllt werden. Die relative Schwäche der übrigen Europäer wurde so noch deutlicher sichtbar. Was für eine seltsame Übung in Selbstvergewisserung, wenn sich nun Obama mit den Staats- und Regierungschefs von Italien, Frankreich, Großbritannien und Deutschland trifft. Nimmt Washington mit dieser Konstellation den Zerfall der EU schon vorweg? Was soll die Botschaft dieses Fünfer-Bundes à la Bismarck sein?

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So hinterlässt Obama ein zwiespältiges Erbe. Amerikas Selbstbescheidung nach Jahren der Hybris ist kein schlechtes Signal an eine Welt, die sich eher nach einem Motivationstrainer sehnt als nach einem Kompaniefeldwebel. Gleichzeitig zeigt die Präsidentschaft, dass es für die USA keine Auszeit von der Welt geben kann. Seitdem es Menschen gibt, ringen sie um Macht und Vorherrschaft. Es unterscheiden sich nur die Methoden.

Obama hat die außenpolitische Mechanik der USA umgebaut. Aber das neue Gerät funktioniert noch nicht. Der nächste Präsident muss den Plan vollenden.

© SZ vom 22.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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