Unionsgipfel in Potsdam:Schwamm drüber

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Keine Vergangenheitsbewältigung, heißt die Devise von Horst Seehofer (Faust) und Angela Merkel (Raute). Stattdessen soll es in Potsdam um "Megathemen" wie die Digitalisierung gehen. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

In München ist die Einsicht gereift, dass der Streit mit der CDU auch der CSU schadet. Auf der Klausur stellt sich die Frage: Wie damit umgehen, ohne dass Seehofer das Gesicht verliert?

Von Robert Roßmann, Berlin, und Wolfgang Wittl, Berlin/München

Für all diejenigen, die wieder einmal nicht kapieren, worum es wirklich geht, gibt es zum Glück Horst Seehofer. So mancher vermutet ja, die Klausur von CDU und CSU sei in Wahrheit nur ein Treffen zum Kaschieren des Flüchtlingsstreits - und nicht das angekündigte Arbeitstreffen, bei dem die Union um Lösungen für die großen Probleme der Zeit ringen will.

Unsinn, findet der CSU-Chef. Der ewige Verdacht, die Politik wolle durch das Setzen einer neuen Agenda lediglich unliebsamen Themen ausweichen, sei schlicht "falsch", sagt er. Das zeige doch schon die Digitalisierung, über die bei der Klausur in Potsdam auch gesprochen werde. Seehofer sieht darin "eine Existenzfrage für unser Land". Ein "Megathema" von vielen, das die Kanzlerin und ihn seit Langem beschäftige. Ablenkungsmanöver vom Flüchtlingsstreit? Davon könne "überhaupt keine Rede sein".

Das eigentliche Megathema der CSU findet sich jedoch nicht auf der offiziellen Tagesordnung für die am Freitag beginnende Klausur. Es lautet: Wie finden die Unionsparteien wieder zusammen, ohne dass die CSU dabei ihr Gesicht verliert? Wie reiht man sich im Bundestagswahlkampf wieder hinter der Kanzlerin ein, ohne die vielen Angela-Merkel-Kritiker in Bayern zu vergrätzen?

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Die Sorge, der Aussöhnung zuliebe das eigene Profil zu verlieren, treibt die CSU derzeit mehr um als alles andere. Erst sprach Seehofer am Dienstag darüber im Kabinett mit seinen Ministern, danach in einer Telefonkonferenz mit den Potsdam-Fahrern der CSU.

Dass der Streit mit der CDU langfristig auch der CSU selbst schadet, gilt in München inzwischen als Konsens. Die Frage ist nur: Wie damit umgehen? Dazu gibt es offensichtlich verschiedene Ansichten.

Wie es keinesfalls zu funktionieren hat - jedenfalls nicht für Seehofer -, hat soeben der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel vorgeführt. Eine bessere Lösung als Merkel sei "für die Unionsparteien im nächsten Jahr nicht in Sicht", schrieb Waigel in einem langen Gastbeitrag für den Münchner Merkur. Das Personal der eigenen Partei rüffelte er mit den Worten, die von einigen CSU-Politikern beklagte Linksorientierung der CDU könne er nicht erkennen.

Die Drohkulisse gehört zu Seehofers wichtigsten Stilmitteln

Waigels Analyse hat Seehofer verärgert. "Ich weiß nicht, wem das nützen soll", sagte er der SZ. Waigel agiere "nicht kollegial", "nicht fair" und beantworte Fragen, "die keiner stellt", etwa die nach einer Ausdehnung der CSU in Deutschland. Vor allem aber sieht Seehofer durch solche Beiträge seine Verhandlungsposition gegenüber der CDU geschwächt. Die Drohkulisse gehört zu seinen wichtigsten Stilmitteln.

Auch sein Plan sieht eine Annäherung an die Schwesterpartei vor, aber nicht um jeden Preis, wie es aus der CSU-Spitze heißt. Alle Themen, auf die man sich mit der CDU nicht einigen könne, wolle Seehofer in einen Bayernplan aufnehmen und damit in den Wahlkampf ziehen. Notfalls werde der Streit dann halt nach der Bundestagswahl 2017 bei den Koalitionsgesprächen fortgesetzt.

Die Ankündigung von CDU-Generalsekretär Peter Tauber, ein getrennter Wahlkampf der beiden Parteien sei bereits vom Tisch, löste in der CSU deshalb Verwunderung aus. Das sei nicht Gegenstand der Klausur, in Potsdam werde es dazu keine Festlegung geben, sagt einer der Teilnehmer aus München.

Trotz dieser Spiegelfechtereien dürfte die Klausur am Samstag mit einer Demonstration neuer Harmonie zwischen CDU und CSU zu Ende gehen. Dazu trägt nicht nur die Brexit-Abstimmung bei, die die Parteien zusammenrücken lässt. Die Europapolitik ist gleich das erste Thema in der Klausur - Berichterstatter werden Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) sein. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel hat mit seinem rot-rot-grünen Blinken zum neuen Schulterschluss zwischen CDU und CSU beigetragen. Nichts macht der Union mehr Freude als die Aussicht auf einen Lagerwahlkampf gegen Rot-Rot-Grün.

CSU versucht es mal anders

Die Devise sei deshalb jetzt, "keine Vergangenheitsbewältigung, sondern ein Blick in die Zukunft", heißt es in CDU und CSU. Die Zeiten, in denen sich Seehofer und Merkel Statistiken über die Entwicklung der Flüchtlingszahlen um die Ohren geschlagen haben, soll vorbei sein. CDU und CSU sind sich in der Flüchtlingspolitik zwar weiterhin nicht einig, die CSU will es jetzt aber mit einem friedlichen "We agree to disagree", statt mit Krawall versuchen.

An dem Treffen in Potsdam werden neben Merkel und Seehofer auch die Parteivizes von CDU und CSU, die beiden Generalsekretäre, Kanzleramtsminister Peter Altmaier, Bayerns Staatskanzleichef Marcel Huber, Unionsfraktionschef Volker Kauder, die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt, die vier CDU-Ministerpräsidenten, die Bundesminister Schäuble und Alexander Dobrindt (CSU) sowie der Vorsitzende der CSU-Grundsatzkommission, Markus Blume, teilnehmen.

© SZ vom 23.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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