Zehntausende Ungarn haben in Budapest gegen die Regierung des rechtspopulistischen Regierungschefs Viktor Orbán demonstriert. Sie forderten auch Neuwahlen. Aufgerufen zu einer der größten Protestkundgebungen der letzten Jahrzehnte hatte der ehemalige Politik-Insider Péter Magyar, der sich erst kürzlich zum Orban-Kritiker gewandelt hatte.
"Die Regierung möge die Macht zurück in die Hände des Volkes legen und ihm die Wahlmöglichkeit geben", sagte Magyar in einer knapp einstündigen Ansprache. Magyar war mit der ehemaligen Justizministerin Judit Varga verheiratet und hatte selbst Führungsposten in staatlichen und staatsnahen Institutionen und Unternehmen bekleidet. Im Februar hatte er überraschend mit seinem bisherigen politischen Umfeld gebrochen.
Unmittelbarer Anlass war seiner Darstellung nach die Affäre um die Begnadigung eines Pädophilen-Helfers, die zum Rücktritt von Staatspräsidentin Katalin Novák sowie dem Ende der politischen Laufbahn seiner Ex-Frau geführt hatte.
Seit seinem öffentlichen Auftreten als Kritiker der Orbán-Regierung wirft Magyar dem Umfeld des Regierungschefs Korruption und Machtmissbrauch vor. Zur Untermauerung seiner Anschuldigungen veröffentlichte er im Vormonat den Mitschnitt eines Gesprächs, das er Anfang des Vorjahres mit Varga geführt hatte, als sie Justizministerin und er noch mit ihr verheiratet war. Darin schildert die Politikerin, wie Gefolgsleute von Orbans mächtigem Kanzleiminister Antal Rogan in staatsanwaltliche Ermittlungen eingegriffen und den Minister belastende Stellen aus den Akten getilgt haben sollen.
Ungarn:Der Mann, der Viktor Orbán provoziert
Péter Magyar ist der neue Pop-Star der ungarischen Regierungskritiker. Der Ex-Gatte der Ex-Justizministerin spricht offen von einem "Mafia-Staat" und nutzt für seine Kampagne gegen den Machthaber nicht nur konventionelle Mittel.
Varga bestritt die Authentizität des Gesprächs nicht, behauptete aber, von Magyar zu Aussagen manipuliert und genötigt worden zu sein, die inhaltlich nicht stimmten.
Auf der Kundgebung am Samstag rief Magyar in die Menge: "Wir fordern unser Land und unsere nationalen Symbole zurück!" Er ermutigte die Menschen, sich in seiner neuen Bewegung "Auf, auf, Ungarn!" zu engagieren. Bei der Europawahl am 9. Juni kann Magyar mit keiner eigenen Partei antreten, weil er mit einer Parteigründung die Fristen nicht einhalten kann. Er verhandle aber mit existierenden Parteien, um ein Antreten zu ermöglichen. Das Ergebnis der Europawahl in Ungarn werde "zum ersten Sargnagel" für das Orbán-System, fügte Magyar hinzu.