Umweltminister Norbert Röttgen:Merkels Mann fürs Grüne

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Eine der wichtigsten strategischen Entscheidungen der CDU: Norbert Röttgen wird Umweltminister. Er soll SPD-Chef Gabriel die Kompetenz beim Thema Atom abjagen.

Stefan Braun

Der erste Tag im neuen Leben beginnt mit einer grünen Aktenmappe. Norbert Röttgen hat sie sich unter den Arm geklemmt, als er am Mittwoch den Bundestag betritt, um morgens Angela Merkel zur Kanzlerin zu wählen und am Nachmittag an selber Stelle seinen Amtseid als Minister abzulegen. Wie stets trägt der 44-Jährige einen feinen dunklen Anzug, fast ein bisschen schüchtern schlängelt er sich durch die Stuhlreihen. Röttgen ist kein Mann vom Typus Platzhirsch, der nach einer Beförderung erst mal auf den Putz haut. Eher schon geht ihm sehr schnell durch den Kopf, was jetzt alles auf ihn zukommt. Und das ist durchaus berechtigt.

Norbert Röttgen, neuer Bundesumweltminister. (Foto: Foto: dpa)

Dass dieser Norbert Röttgen neuer Bundesumweltminister wird, gehört zu den wichtigsten strategischen Entscheidungen der CDU in der schwarz-gelben Regierung. Zwischendurch war er auch für andere Ressorts im Gespräch gewesen. Tatsächlich aber hat Merkel früh damit begonnen, in den Verhandlungen um die Ressortverteilung den Slalom so zu stecken, dass Röttgen dort ankam, wo er ankommen sollte: in jenem Ministerium, das für die Modernisierung und künftige Ausrichtung der Union von zentraler Bedeutung sein wird.

Vorausgegangen war ein Schockerlebnis, wenn auch eines, von dem die Öffentlichkeit nur wenig mitbekommen hat. Denn nichts und niemand hat der CDU-Spitze im Bundestagswahlkampf mehr Angst eingeflößt als Sigmar Gabriel und die Atomkraftdebatte. Ihn fürchteten sie mehr als alles andere zusammen. Die Steinmeiers und Münteferings schienen den Strategen in der CDU beherrschbar zu sein. Bei der Asse, bei Gorleben, Krümmel und der Strahlkraft des Themas ist es Merkel und Co. dagegen mehr als nur ein paar Tage schummrig geworden. Ablenkungsmanöver wurden ausgeheckt und neue Themen versucht, aber alle im Konrad-Adenauer-Haus spürten, wie nah die Gefahr eines Stimmungsumschwungs heranrückte. Gabriel wird nun SPD-Chef, und Röttgen soll ihm die Kompetenz beim Thema Atom abjagen.

So gesehen könnte Röttgen der Norbert von der Leyen dieser Legislaturperiode werden. Wie die Familienministerin der CDU in den Bereichen Familie, Kinderbetreuung und Gleichberechtigung mit Verve ein moderneres Image verpasste, soll der Jurist das bei Umwelt und Klimapolitik wiederholen. Dass ihm das gelingen könnte, halten sogar prominente Sozialdemokraten für möglich. Zulassen freilich wollen sie es nicht. Schon allein deshalb dürfte das Feld sehr umkämpft sein in den nächsten vier Jahren.

Fachliche Vorkenntnisse bringt Röttgen kaum mit. Außerdem wird er bei den Umweltverbänden auf einige Skepsis stoßen. Sein Liebäugeln mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie, zu dem er vor drei Jahren fast gewechselt wäre, weckt bei manchem den Verdacht, mit Röttgen könnte das wirtschaftspolitische Denken im Umweltministerium überhandnehmen. Der Vater von zwei Söhnen und einer Tochter, verheiratet mit einer resoluten und selbstbewussten Anwältin, wird versuchen, diesen Eindruck zu vermeiden. Er weiß, dass er nicht offiziell, aber atmosphärisch Brücken bauen soll zu den Wählern und den Spitzen der Grünen.

© SZ vom 29.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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