Umsturz in Ägypten:Deutsche Politiker werfen Kerry "selektives Demokratieverständnis" vor

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Das Eingreifen des Militärs hat die Demokratie wiederhergestellt - so rechtfertigt US-Außenminister John Kerry die Entmachtung des ägyptischen Präsidenten Mursi durch das Militär. Damit stößt Kerry auch bei deutschen Politikern auf Kritik.

Wenn das Militär in einem Land die Regierung stürzt und die Macht übernimmt, dann bezeichnet man dies in der Regel als Putsch - nicht so US-Außenminister John Kerry. Er rechtfertigte am Donnerstag das Eingreifen des Miliärs in Ägypten damit, dass die Bevölkerung dies ausdrücklich gewünscht habe.

Dass Kerry das Vorgehen des Militärs bewusst nicht als "Putsch" bezeichnet, hat laut CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz einen einfachen Grund: "Die Amerikaner haben angesichts ihrer internen Rechtslage das Problem, dass sie die Militärhilfe sofort stoppen müssten, sobald sie von einem Putsch reden." Allerdings stehen sie nun vor der Schwierigkeit, dass sie trotzdem mit den Muslimbrüdern im Gespräch bleiben müssten.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) äußerte sich bei seinem Besuch in Kairo diplomatisch und vermied jede Kritik. Gemeinsames Ziel von Europäern und Amerikanern sei die Beruhigung der Lage in Ägypten. Seit Donnerstag bemüht sich Westerwelle um eine Vermittlung zwischen den verfeindeten Lagern.

Westerwelles Parteikollege Rainer Stinner hingegen bemängelte im Deutschlandfunk, "dass die Äußerung von Außenminister Kerry durchaus ein selektives Demokratieverständnis zum Ausdruck bringt". Auch der Bundestagsabgeordnete Rolf Mützenich (SPD) sagte, das Vorgehen des Militärs habe die Lage in Ägypten eben nicht beruhigt, sondern verschärft.

Kerry sagte am Donnerstag während eines Besuches in Pakistan: "Das Militär wurde von Millionen und Abermillionen Menschen zum Einschreiten gebeten, die allesamt Angst davor hatten, in Chaos und Gewalt abzugleiten". Es habe nicht dauerhaft die Macht an sich gerissen, vielmehr sei durch das Eingreifen "die Demokratie wiederhergestellt" worden.

Erwartungsgemäß reagierten auch Vertreter der islamistischen Muslimbruderschaft mit großer Kritik auf Kerrys Äußerungen. Sprecher Gehad al-Haddad nannte die Kommentare des US-Außenministers "alarmierend" und warf ihm die Legitimierung des Militärputsches vor. "Würde Außenminister Kerry akzeptieren, dass Verteidigungsminister Hagel einschreitet und Obama absetzt, wenn es große Proteste in Amerika gibt? ", so al-Haddad.

Auch für diesen Freitag kündigten die Anhänger Mursis Proteste an. Angesichts der drohenden Räumung ihrer Protestlager rief die Muslimbruderschaft ihre Anhänger auf, die Camps auf dem Platz Rabaa al-Adawija und dem Platz al-Nahda zu verstärken. Am Donnerstag hatte das Innenministerium die Demonstranten gedrängt, die Lager zu räumen.

© Süddeutsche.de/reuters/afp/schä - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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