Ukraine-Krise:Nato will über Osteuropa Stärke zeigen

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Ein Aufklärungsflugzeug vom Typ Awacs auf dem NATO-Luftwaffenstützpunkt in Geilenkirchen. (Foto: dpa)

Aufklärungsflüge gegen die Angst: Die Nato will sich stärker in Osteuropa engagieren, um Polen, Rumänen und Balten den Rücken zu stärken. Bundesverteidigungsministerin von der Leyen erwägt, mit ihnen militärisch noch stärker zu kooperieren. Nato-Chef Rasmussen empfiehlt, die Nato nach Osten zu erweitern.

Mehr westliche Militärpräsenz in Osteuropa - würde sie die Region stabilisieren oder nur Moskau provozieren? Die Bundesregierung zeigt sich angesichts des Ukraine-Konflikts bereit, noch enger mit den Nato-Mitgliedsländern im Osten Europas zu kooperieren. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen wirbt offensiv dafür, das Bündnis zu erweitern. Eine massive Nato-Präsenz dort gehört zu den größten Befürchtungen des Kreml.

Eine Sprecherin von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte, die Bundeswehr könne die östlichen Partner stärker unterstützen - etwa mit zusätzlichen Awacs-Aufklärungsflügen über Rumänien und Polen oder einer Beteiligung an einem Nato-Marinemanöver in der Ostsee. In Sicherheitskreisen hieß es, man gehe davon aus, dass die Nato-Außenminister auf ihrem Treffen in Brüssel von Dienstag an über das Thema entscheiden werden.

Das Magazin Spiegel hatte ohne Nennung von Quellen berichtet, das Verteidigungsministerium sei bereit, bis zu sechs Bundeswehr-Maschinen für eine verstärkte Luftraum-Überwachung im Baltikum zur Verfügung zu stellen. Die Zahl der dort verfügbaren Nato-Maschinen solle mindestens verdoppelt werden. Das wollte von der Leyens Sprecherin jedoch nicht bestätigen.

Sind auch die baltischen Staaten bedroht?

Die Luftwaffen der baltischen Staaten sind nicht gerüstet, ihren Luftraum ausreichend zu schützen. Die Bundeswehr stellt für sie schon seit 2004 immer wieder Kampfjets ab, zuletzt 2013. Insgesamt beteiligen sich am sogenannten "Air Policing" im Baltikum mehr als ein Dutzend Länder im Rotationsverfahren. Von 2018 an sollen die drei Staaten ihn aber eigentlich selbst sichern.

Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite hatte im März gesagt, sie sehe nicht nur die Ukraine, sondern auch die baltischen Staaten durch Russland bedroht. Daher müsse die Militärpräsenz der Nato im Baltikum stärker sichtbar werden.

Weitreichendere Überlegungen äußerte der scheidende Nato-Generalsekretär Rasmussen: In einem Beitrag für die Welt am Sonntag sprach er sich dafür aus, die Erweiterung der Nato fortzusetzen. Der Beitritt osteuropäischer Staaten zu der Militärallianz sei "eine der großen Erfolgsgeschichten unserer Zeit". Jeder europäische Staat, der in der Lage sei, die Grundsätze der Allianz zu fördern und zur Sicherheit des Bündnisgebietes beizutragen, "kann sich für eine Mitgliedschaft bewerben", fügte Rasmussen hinzu. Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Georgien und Montenegro etwa strebten eine Mitgliedschaft an. Im Fall Georgiens hatte Russland 2008 sogar Krieg geführt, als das Land sich gegen den russischen Einfluss wehrte.

Auch die Partnerschaft mit der Ukraine sei "stetig stärker geworden", schrieb Rasmussen. Für ihren Eintritt in das Militärbündnis sprach er sich aber nicht explizit aus. Russlands Außenminister Sergej Lawrow forderte eine Verpflichtung Kiews, nicht der Nato beizutreten. Die Führung in Kiew müsse schnell eine neue Verfassung ausarbeiten, in der die militärische Neutralität der Ex-Sowjetrepublik festgeschrieben sei - somit auch der Verzicht auf einen Nato-Beitritt.

Kritiker Russlands sehen auch Moldawien von russischen Truppen bedroht. Sie argumentieren, es sei ein Einmarsch in den Landesteil möglich, in dem viele Russen leben und der faktisch nicht von der moldawischen Regierung kontrolliert wird.

Steinmeier und Juncker zurückhaltend

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mahnte zur Besonnenheit. Die Nato müsse in dieser schwierigen Lage mit kühlem Kopf handeln und sich in keine Spirale der militärischen Eskalation drängen lassen, sagte er dem Spiegel. "Gleichzeitig wissen unsere Partner, dass wir ohne Wenn und Aber zur Solidarität im Bündnis stehen, und das nicht nur bei gutem Wetter."

Noch distanzierter äußerte sich auch der ehemalige Chef der Euro-Gruppe Jean-Claude Juncker zu den Forderungen nach einer Verstärkung der Nato-Präsenz an den Außengrenzen. Er sei zwar dafür, den baltischen Staaten Solidarität zu demonstrieren. Aber er "halte nicht viel davon, jetzt so zu tun, als müsse man übertriebene physische Truppenpräsenz an den Nato-Grenzen im Direktverhältnis zu Russland unter Beweis stellen". Juncker tritt als Spitzenkandidat der europäischen Konservativen bei der Europawahl an.

© dpa/AFP/Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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