Krieg in der Ukraine:Lage am Atomkraftwerk Saporischschja besorgt UN

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António Guterres (rechts) hat vor seinem Treffen mit den Präsidenten der Ukraine und der Türkei in Lwiw die älteste Universität der Ukraine besucht und dabei die Rolle der akademischen Einrichtungen beim Aufbau demokratischer Institutionen gewürdigt. (Foto: Evgeniy Maloletka/dpa)

Generalsekretär António Guterres sucht beim Gipfeltreffen in der Ukraine nach Lösungen. Russland lehnt entmilitarisierte Zone ab.

Von Nicolas Freund, München

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hat am Donnerstagnachmittag in der westukrainischen Stadt Lwiw den UN-Generalsekretär António Guterres sowie den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan zu Gesprächen über den Krieg in der Ukraine getroffen. Dabei sollte unter anderem die Lage bei dem von der russischen Armee besetzten Atomkraftwerk Saporischschja besprochen werden.

Russland und die Ukraine hatten sich in den vergangenen Wochen immer wieder gegenseitig vorgeworfen, mit Angriffen in der Nähe des Kraftwerks die Möglichkeit einer atomaren Katastrophe in Kauf zu nehmen. Am Donnerstag schrieb der ukrainische Geheimdienst auf Facebook, die russischen Besatzer hätten unerwartet für Freitag einen arbeitsfreien Tag im größten Atomkraftwerk Europas verkündet. Eine Kontrolle durch die Internationale Atomenergie-Agentur (IAEA) oder, wie von Guterres vorgeschlagen, die Einrichtung einer demilitarisierten Zone um den Reaktor ist bisher nicht zustande gekommen. Der Sprecher des russischen Außenministeriums erteilte dieser Idee am Donnerstag eine klare Absage: Die Demilitarisierung der Region um das Kraftwerk sei unannehmbar, da in der Nähe die Front verlaufe.

Russland behauptet außerdem, es gebe "Hindernisse" für die Kontrollen, und die Vereinten Nationen hätten einen bereits vereinbarten Besuch abgesagt. Die UN bestreiten dies. Generalsekretär Guterres soll in der Sache bereits mit dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schojgu telefoniert haben. Wie eine Lösung für die gefährliche Situation an dem Kraftwerk aussehen könnte, ist weiterhin unklar.

Guterres ging in Lwiw auf eine Bitte Selenskijs ein und kündigte an, eine Mission zur Aufklärung des Angriffs auf ein Lager mit ukrainischen Kriegsgefangenen Ende Juli zu senden. Der brasilianische General Carlos dos Santos Cruz soll die Operation demnach leiten. Etwa 50 ukrainische Kriegsgefangene waren im Gefängnis Oleniwka bei Donezk ums Leben gekommen.

Vor dem Dreiertreffen besprachen sich zunächst nur Selenskij und Erdoğan. Dieser warnte mit Blick auf das besetzte AKW vor einer Nuklearkatastrophe: "Wir wollen kein neues Tschernobyl erleben." Daneben ging es wohl auch um eine Erhöhung der Getreideexporte. Die Türkei war gemeinsam mit den Vereinten Nationen maßgeblich an der Vereinbarung zum Export von Getreide und anderen Nahrungsmitteln aus der Ukraine beteiligt. Mehr als 20 Millionen Tonnen Getreideerzeugnisse sollen in der Ukraine lagern, 622 000 Tonnen sollen nach türkischen Angaben nun verschifft worden sein.

Guterres appellierte an die Kompromissbereitschaft Russlands und der Ukraine, um weiteren Transport sicherzustellen. Erdoğan setzt auf eine diplomatische Lösung für den Krieg: "Ich glaube weiter daran, dass der Krieg irgendwann am Verhandlungstisch enden wird", sagte er. Erdoğan unterhält nach wie vor gute diplomatische Beziehungen zum Kreml. Dass Erdoğan - mit oder ohne den UN - zwischen den Kriegsparteien vermitteln kann, halten Beobachter aber für unwahrscheinlich. Beide Seiten scheinen noch auf einen militärischen Sieg zu setzen.

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