TV-Duell:Juppé und Fillon kuscheln um die Macht

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Die Konservativen Fillon (l.) und Juppé streiten im TV eher zurückhaltend über Reformen in Frankreich. (Foto: AP)
  • Am Sonntag können die Franzosen wählen, wer für die Konservativen in den Präsidentschaftswahlkampf 2017 zieht: François Fillon oder Alain Juppé.
  • Im TV-Duell zeigen sich beide weniger aggressiv als in den vergangenen Tagen.
  • Fillon scheint schwer an seiner Favoritenrollen zu tragen, Juppé hingegen wirkt beschwingt.

Von Lilith Volkert

Einmal, nach einer Dreiviertelstunde, werden die Kandidaten für einen Moment ganz aufgeregt. Es geht um die Frage, ob man einem Beamten, der 39 Stunden in der Woche arbeitet, zum Wohle der Staatsfinanzen vielleicht nur 37 Stunden bezahlen könne. Auf keinen Fall, findet der eine. "Ha!" entfährt es dem anderen. "Da sehen Sie, dass Alain Juppé gar nicht wirklich etwas ändern will!" Es ist die wildeste Szene dieses TV-Duells.

François Fillon ist Abgeordneter in der Nationalversammlung, Alain Juppé seit 20 Jahren Bürgermeister von Bordeaux. Beide wollen am Sonntag zum Präsidentschaftskandidaten der französischen Konservativen gewählt werden. Alle Franzosen können an dieser Vorwahl teilnehmen. Sie bekommen an diesem Donnerstagabend aber kein Duell zweier Männer zu sehen, die ganz wild aufs Regieren sind. Eher einen detaillierten Abgleich zweier Regierungsprogramme.

Fillon möchte kein "multikulturelles Frankreich", Juppé schon

In vielen Punkten gehen diese in die gleiche Richtung. Fillon will den Franzosen ihre heilige 35-Stunden-Woche wegnehmen, Juppé möchte sie nur langsam aufweichen. Fillon plant 500 000 Beamtenstellen zu streichen, Juppé 300 000. In einigen anderen unterscheiden sie sich sehr: Fillon möchte kein "multikulturelles Frankreich", Juppé schätzt Mitmenschen anderer Herkunft, Hautfarbe und Religion. Fillon wendet sich vor allem an die rechte Parteibasis, Juppé möchte auch die Mitte ansprechen.

Während des zweistündigen Duells wird vor allem eines klar: So eine Favoritenrolle tut niemandem gut. Alain Juppé hatte es sich in den vergangenen Monaten zu bequem gemacht angesichts der Umfragen, die ihn alle deutlich vorne sahen. Seine Gelassenheit grenzte an Arroganz. Die Demütigung war groß, als er bei der ersten Runde vergangenen Sonntag 16 Prozentpunkte hinter einem Außenseiter landete.

François Fillon, ebenjener Außenseiter, hat die Favoritenrolle am vergangenen Sonntag übernommen. Gerade am Anfang des Duells wirkt der 62-Jährige angespannt. Später schaut er müde drein, wenn er nicht dran ist, oder knibbelt an seinen Daumen. Auch wenn die Umfragen weiterhin für ihn sprechen, siegessicher ist er nicht. Juppé hingegen wirkt locker und geradezu beschwingt, er lächelt den fragenden Journalisten jovial zu. Dafür kommen die Antworten des 71-Jährigen aber auch weniger präzise.

Es ist zu spüren, dass Juppé und Fillon seit Jahrzehnten zusammenarbeiten. Mitte der 90er Jahre saßen sie gemeinsam am Kabinettstisch. Anschließend war der eine Premier und der andere Minister, zehn Jahre später war es umgekehrt. Ob sie deshalb mehr plaudern als streiten? Vielleicht denken sie auch, dass aggressives Auftreten beim Zuschauer nicht gut ankommen würde. Schließlich haben sie am Wochenende gemeinsam das hyperaktive Riesen-Ego Nicolas Sarkozy aus dem Rennen geworfen.

Schwer zu sagen, wer die besseren Chancen gegen Marine Le Pen hat

Die wenigen Spitzen, die vor allem Juppé anbringt, sind harmlos im Vergleich zu den Attacken der vergangenen Tage. Nach dem Schock, nur Zweiter geworden zu sein, hatte sich sein Team Fillon vorgenommen: Dessen Wirtschaftsprogramm sei "brutal", Fillon werde auch von Rechtsextremen unterstützt - und könne er bitte mal klären, wie er zu Abtreibungen stehe? Einige Mitarbeiter von Juppé fühlten sich selbst irgendwann unwohl bei diesem Kurs. Von der impliziten Unterstellung, er wolle das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch antasten, zeigt sich Fillon in der Sendung getroffen. Juppé lächelt das als War-mir-halt-nicht-klar-Missverständnis weg.

Nach Ärztemangel, Homo-Ehe und Steuerplänen geht es ganze zehn Minuten um Außenpolitik - und das auch nur, weil in den vergangenen Tagen viel über Fillons glänzendes Verhältnis zu Wladimir Putin diskutiert wurde. Über die Krim müsse man noch mal mit dem Kreml-Chef reden, lenkt Fillon dann auch ein.

Erst gegen Ende stellen die Journalisten die Frage, die essenziell für Frankreichs Zukunft sein wird: Wer von beiden kann besser Marine Le Pen besiegen und warum? Die Chefin des rechtsextremen Front National hat gute Chancen, im Frühjahr in die Stichwahl zu kommen. Die Antwort der Kandidaten ist schwach: Beide haben schon immer gegen den FN gekämpft und sind von ihrem jeweiligen politischen "Projekt" überzeugt. Tatsächlich ist es schwer zu sagen, wer gegen Le Pen die besseren Chancen hat, wessen Programm die größere Angriffsfläche bietet - und ob ein Sieg leichter wird, wenn Fillon dem FN konservative Stimmen abnimmt oder wenn Juppé die linken Wähler hinter sich schart. Sicher ist: Die Zeit des Kuschelns ist spätestens dann vorbei.

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