TV-Duell: Check der Worte:Die Wahrheit hinter Merkel und Steinmeier

Kanzlerin Merkel und Herausforderer Steinmeier haben es bei ihrem Duell mit der Wahrheit nicht immer ganz genau genommen. Der Check in Bildern.

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"Bei einem einheitlichen, flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn gehen Arbeitsplätze verloren."Niemand kann derzeit sagen, ob ein gesetzlicher Mindestlohn Jobs vernichtet oder nicht. Es gibt Dutzende Aufsätze zu dem Thema. Manche Studien beantworten die Frage mit ja, ebenso viele mit nein.Pauschale Aussagen wie die der Kanzlerin sind deshalb mehr als fragwürdig.Sicher ist: Je höher eine flächendeckende Lohnuntergrenze ausfällt, desto größer ist die Gefahr, dass die Unternehmen Mitarbeiter entlassen oder gar nicht erst einstellen, weil der Preis der Arbeit steigt. Wird ein Mindestlohn aber extrem niedrig festgesetzt, verfehlt er seine Wirkung, weil die meisten Arbeitnehmer ohnehin mehr verdienen.In Deutschland gibt es bislang Lohnuntergrenzen nur für bestimmte Wirtschaftszweige, wie etwa für die Baubranche. Hier fand das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) heraus, dass im Westen durch den Mindestlohn keineswegs Jobs vernichtet wurden, sondern tendenziell sogar neue entstanden. Im Osten dagegen verschwanden Arbeitsplätze. Manche Forscher fordern deshalb auch unterschiedliche Mindestlöhne für die alten und die neuen Bundesländer, was allerdings aus politischen Gründen kaum realisierbar wäre.Wie Pauschalaussagen in die Irre führen können, demonstrierte im TV-Duell allerdings auch Steinmeier: Er verwies auf die positiven Erfahrungen mit gesetzlichen Lohnuntergrenzen in Großbritannien und Frankreich. Der Mindestlohn in Frankreich mit im EU-Vergleich ziemlich hohen 8,82 Euro pro Stunde gilt aber unter Experten als eine Ursache für die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Der eher niedrige Mindestlohn von 6,41 Euro in Großbritannien soll sich dagegen nicht negativ auf die Beschäftigung ausgewirkt haben. Er hilft aber auch nur wenigen Menschen, weil davon nicht einmal zwei Prozent der Beschäftigten profitieren.(Foto: AFP/Text: Thomas Öchsner)

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"Im Kern geht es der Union ium den Rückweg in die Atomtechnologie."Stünde Deutschland unter Schwarz-Gelb tatsächlich vor einer Renaissance der Atomkraft? Nicht wirklich. Bei aller Sympathie der Kanzlerin für diese Technologie, völlig zurück zur Kernkraftbegeisterung früherer unionsgeführter Regierungen will auch sie nicht. "Einen Neubau von Kernkraftwerken lehnen wir ab", heißt es im Wahlprogramm der Union - was nichts anderes bedeutet, als dass auch aus Sicht von CDU und CSU irgendwann Schluss sein soll mit der Atomkraft.Ähnlich äußerte sich im TV-Duell auch die Kanzlerin: "Als Brückentechnologie, ich sage das ausdrücklich", so Merkel, sei die Kernkraft verantwortbar. Wie lang diese Brücke sein wird, bleibt freilich Verhandlungssache. Noch gilt der Atomkonsens, wonach die deutschen Reaktoren nach 32 Jahren Laufzeit ihren Dienst einstellen müssen. Theoretisch ließe sich dies aber auf bis zu 60 Jahre ausdehnen. Das wäre immer noch kein "Rückweg" in die Atomtechnologie, immerhin aber ein Vorerst-weiter-so.Mit seiner Einschätzung, dass bei einer Verlängerung der Laufzeiten die Investitionen in die Gewinnung neuer, regenerativer Energien geschmälert würden, dürfte Steinmeier allerdings richtig liegen: Bleibt es nämlich beim Atomkonsens, müssten in der nächsten Wahlperiode bis zu sechs Kernkraftwerke vom Netz gehen. Hinzu käme womöglich der noch vergleichsweise junge Pannenmeiler in Krümmel, für den selbst Merkel nicht mehr viel übrig hat. Blieben sie alle am Netz, würde die Macht der vier Betreiberfirmen zementiert. Zusätzliche Investitionen in regenerative Energien würden sich kaum rentieren.(Foto: dpa/Text: Michael Bauchmüller)

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"Beim Thema Managergehälter haben wir einiges gemeinsam auf den Weg gebracht."Kommt darauf an, was man unter "einiges" versteht. Tatsächlich hat Deutschland schon im Sommer - und damit früher als viele andere Staaten - ein "Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung" in Kraft gesetzt. Es erleichtert die nachträgliche Kürzung von Managergehältern, macht Aufsichtsratsmitglieder für unangemessen hohe Abfindungen persönlich haftbar und schreibt vor, dass Führungskräfte Aktienoptionen des eigenen Unternehmens nicht bei erstbester Gelegenheit, sondern erst nach vier Jahren einlösen können. Gemessen daran, wozu die Union vor Ausbruch der Krise bereit war, ist das sicher ein gewaltiger Fortschritt.Im Vergleich zu dem, was die SPD verlangte und was in anderen Ländern derzeit geschieht, war die Reform aber eher dürftig: So wollte sich Merkel weder auf eine Obergrenze für Bonuszahlungen, wie sie etwa die Niederlande beschlossen haben, noch auf eine andere Besteuerung hoher Managerbezüge einlassen, wie sie die SPD gefordert hatte.Gravierender als Merkel irrte jedoch - wie auch an anderen Stellen der Sendung - Moderatorin Maybrit Illner: Sie behauptete, die Kanzlerin habe im Jahr 2007 betont, dass ein Manager nicht mehr als das Zwanzigfache eines einfachen Arbeitnehmers verdienen solle. Das ist schlicht falsch: Merkel hatte damals lediglich auf Unterschiede zwischen den USA und Japan verwiesen.(Foto: ddp/Text: Claus Hulverscheidt)

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"Um die Steuersekung von Schwarz-Gelb zu finanzieren, braucht man ein Wachstum von neun Prozent. Das gab es noch nie."Eindeutig falsch ist, dass die Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik noch nie um neun Prozent zugelegt hätte: 1955 wuchs sie um zwölf, 1960 immerhin um 8,6 Prozent. Aber das ist lange her. Inzwischen gelten in der Tat schon gut drei Prozent Steigerung als fulminanter Boom.Der Wahrheitsgehalt der übrigen Passagen ist schwer zu beurteilen: Steinmeier unterstellt bei seiner Berechnung, dass sich Union und FDP bei Koalitionsverhandlungen auf Steuererleichterungen von 50 Milliarden Euro pro Jahr einigen würden. Schon diese Behauptung ist durch nichts zu belegen.Was die Finanzierung angeht, so bedeutet ein Prozentpunkt mehr Wirtschaftswachstum einer Faustformel zufolge etwa sechs Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen. Neun Prozent Wachstum würden also bei den jetzigen Tarifen 54 Milliarden Euro zusätzlich bringen und damit die Erleichterungen wieder reinholen.Anders als Steinmeier nahelegt, würde es auch reichen, wenn die Wirtschaft nur ein Jahr lang so rasant wächst und dann auf der Stelle tritt - das höhere Niveau bei den Einnahmen bliebe erhalten und könnte Jahr für Jahr die Steuergeschenke finanzieren. Der Haken dabei: Vor allem die FDP will das System so radikal ändern, dass es ausgesprochen unwahrscheinlich ist, dass die alten Faustregeln ihre Gültigkeit behalten.(Foto: dpa/Text: Björn Finke)

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"Die Opel-Treuhänder haben ihre Aufgabe falsch verstanden. Sie haben die Meinung der Bundesregierung zu vertreten."Auch wenn Manfred Wennemer und Dirk Pfeil es nicht wahrhaben wollen, in dieser Frage hat Angela Merkel Recht: Die beiden Manager sollten in der Opel-Treuhand die Interessen der Bundesregierung vertreten und nicht etwa nach eigenem Gutdünken über das Schicksal des Autobauers entscheiden.Das geht aus der Treuhand-Vereinbarung hervor, die die Bundesrepublik und der amerikanische Opel-Mutterkonzern General Motors (GM) geschlossen hatten. Darin heißt es ausdrücklich, dass die Treuhandmitglieder - mit Ausnahme des nicht stimmberechtigten Vorsitzenden - weisungsgebunden sind und jederzeit abberufen werden können. Die beiden deutschen Vertreter müssten zudem "zum Wohle der Bundesregierung" agieren. GM schickte entsprechend zwei hochrangige Manager in das Gremium, die selbstverständlich ihre Anweisungen aus Detroit erhielten. Bund und Länder hätten nach dieser Logik zwei Staatssekretäre entsenden müssen.Wegen der schlechten Erfahrungen mit einer solchen Lösung etwa bei der IKB und bei der Hypo Real Estate verfiel man jedoch auf die Idee, "unabhängige Experten aus der Wirtschaft" zu berufen - eine Entscheidung, die die beiden Auserwählten gründlich missverstanden und die in dieser Form garantiert einmalig bleiben wird.(Foto: dpa/Text: Claus Hulverscheidt)

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"Das Lager von Schwarz-Gelb ist in den letzten 14 Tagen deutlich unter die 50-Prozent-Marke gerutscht."Hier übertreibt der SPD-Kandidat - wohl nicht aus Versehen. Zwar sind die Zustimmungsraten für Union und FDP in den vergangenen Wochen tatsächlich ganz leicht zurückgegangen. Nach den Erhebungen der fünf maßgeblichen Meinungsforschungsinstitute liegt Schwarz-Gelb jedoch weiterhin genau bei oder knapp unter 50 Prozent.Den niedrigsten Wert für ein solches Bündnis ermittelten Emnid und das Institut Allensbach mit jeweils 48 Prozent Zustimmung. Die Forschungsgruppe Wahlen veröffentlichte vergangene Woche eine Zustimmungsrate von 50 Prozent. Zwar hatten CDU, CSU und FDP Werte von mehr als 50 Prozent verbucht, von einem "deutlichen" Rückgang kann aber dennoch nicht die Rede sein.Hinzu kommt: Um eine gemeinsame Regierung zu bilden, braucht Schwarz-Gelb gar keine 50 Prozent. Vielmehr fallen bei der Verteilung der Sitze im Bundestag die Stimmen für diejenigen Parteien weg, die den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde nicht geschafft haben. Kommen die sogenannten "Sonstigen" also beispielsweise auf sechs Prozent, wie es etwa Forsa voraussagt, reichen Union und Liberalen 47 Prozent für eine absolute Mehrheit.Mit seiner Aussage will Steinmeier also seine durch die Umfragen irritierte Partei bei Wahlkampflaune halten.(Foto: dpa/Text: Susanne Höll)

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"Ich habe schon im Jahr 2000 über die neue soziale Marktwirtschaft nachgedacht, weil wir die Globalisierung haben."Tatsächlich warb die Kanzlerin schon im Jahr 2000 für eine neue soziale Marktwirtschaft: In zwei Namensartikeln plädierte sie für eine Erneuerung, mit der sie auch auf die Veränderungen durch die Globalisierung eingehen wollte. Dabei blieb sie allerdings am Anfang im Ungefähren.Der erste Artikel stand unter der Überschrift "Was Deutschland wirklich braucht" und erschien am 2. September 2000 : "Die Ethik, die Werte und Maßstäbe, die dieser sozialen Marktwirtschaft zu Grunde liegen, müssen unter den gewandelten Bedingungen globaler Märkte und der Entwicklung der Industriegesellschaft zur sogenannten Wissensgesellschaft zu einer "neuen sozialen Marktwirtschaft" weiterentwickelt werden." Die Vagheit dieses Artikels löste in der CDU seinerzeit Kritik aus, sodass sich Merkel zwei Monate später genötigt sah, einen zweiten Artikel nachzulegen. Überschrift: "Die Wir-Gesellschaft". Ein Jahr später packte eine Parteikommission Merkels Ideen in ein mehrseitiges Abschlusspapier - danach allerdings verschwanden die Aufsätze in den Schubladen der CDU.(Foto: dpa/Text: Stefan Braun)

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"Stellen Sie sich vor, Schwarz-Gelb hätte regiert, dann wäre Opel heute mausetot."Steinmeiers Behauptung ist so glasklar, wie eine Behauptung nur sein kann. Allein: Belegen kann er sie mit nichts - im Gegenteil: Bei genauer Betrachtung weiß der SPD-Kandidat selbst, dass die wahre Geschichte anders verlaufen ist.Das zeigt am deutlichsten jene Nacht im Mai im Kanzleramt, als sich der Bund und die beteiligten Bundesländer mit den Konzepten der damals noch drei Bieter befassten und sich am Ende für Magna entschieden. Nachdem Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in dieser Nacht seine Ablehnung zu dem Angebot des österreichisch-kanadisch-russischen Konsortiums signalisiert hatte, drohte nämlich alles zu scheitern. Die Unionsspitze befürchtete, dass sich der anwesende FDP-Vertreter aus den Ländern, Hessens Wirtschaftsminister Dieter Posch, ebenfalls gegen Magna stellen würde.Die Folge: Die schwarz-gelben Landesregierungen in Hessen und Nordrhein-Westfalen hätten den Beschluss nicht mitgetragen - er wäre geplatzt, bevor Magna richtig ins Rennen gehen konnte. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) bekniete Posch daraufhin in einem Gespräch unter vier Augen, seine Bedenken zurückzustellen.Ergebnis: Nach langem Hin und Her entschied sich der FDP-Mann im Namen seiner Partei, die von der Bundesregierung favorisierte Lösung mitzutragen. Steinmeier, der in dieser Nacht im Kanzleramt dabei war, kann das nicht entgangen sein. Für seine These gibt es keinen Beleg, für das Gegenteil aber sehr wohl deutliche Anhaltspunkte.(Foto: ddp/Text: Stefan Braun)

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"Der Gesundheitsfonds hat sich in der Krise bewährt. Ansonsten hätten wir jetzt schon Erhöhungen der Kassenbeiträge."Die Kanzlerin hat recht, beschönigt aber durch Weglassen: Denn mit der Einführung des Fonds stiegen die Beiträge für etwa 92 Prozent aller Versicherten erst einmal an. Durch das Konjunkturpaket sank der Satz dann wieder leicht auf 14,9 Prozent ab, wobei 7,9 Prozentpunkte davon die Arbeitnehmer, sieben Punkte die Arbeitgeber zahlen.Tatsächlich gibt es beim Gesundheitsfonds eine Regelung, die dafür sorgt, dass die etwa 180 gesetzlichen Krankenkassen derzeit so gut wie gar nicht unter der Wirtschaftskrise leiden.Mit Einführung der Geldverteilungsstelle hat sich der Bund nämlich verpflichtet, mit einem Darlehen einzuspringen, wenn die Einnahmen der Kassen und damit die des Fonds unter den Erwartungen liegen, etwa durch einen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Vier Milliarden Euro sind 2009 dafür im Haushalt vorgesehen und tatsächlich verhindert diese Finanzspritze, dass die Beitragssätze derzeit steigen.Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn 2011 müssen die Kassen den Kredit zurückzahlen. Der Anstieg der Nebenkosten ist also lediglich aufgeschoben.Recht hat Merkel mit der Behauptung, dass es der Koalition gelungen ist, die Sozialbeiträge von 41,9 auf unter 40 Prozent zu senken. Derzeit sind 39,55 Prozent fällig. 19,33 Prozent zahlen die Arbeitgeber, 20,22 Prozent die Arbeitnehmer.(Foto: dpa/Text: Guido Bohsem)

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"FDP und CDU erhalten von Banken und Unternehmen drei Millionen Euro an Spenden, die SPD gerade einmal 200.000."Stimmt ungefähr, jedenfalls soweit es veröffentlichungspflichtige Großspenden von Banken und Finanzunternehmen mit einer Summe in Höhe von mehr als 50.000 Euro angeht und wenn man auch die Zuwendungen an die CSU mit einbezieht.Steinmeier bezog sich mit seiner Aussage auf den Zeitraum seit Beginn der internationalen Finanzkrise im September 2008. Seither erhielt die CSU von Finanzunternehmen etwa 880.000 Euro, die CDU kommt auf circa 700.000 Euro und die FDP auf gut 1,25 Millionen Euro. Zusammen macht das gut 2,83 Millionen Euro.Steinmeier verwies auf dieses Ungleichverhältnis, als es im TV-Duell um das Thema der Gehälter von Bankern ging, die die SPD stärker begrenzen möchte als die Union und fügte noch an: "Insofern scheint die Bankenwelt auch ein bisschen auf die schwarz-gelbe Diskussion zu setzen." Zuschauer könnten deshalb den Eindruck gewonnen haben, dass Banken und Finanzorganisationen sich bei CDU, CSU und FDP für deren Haltung in der Gehalts- und Boni-Frage erkenntlich zeigen wollten. Das lässt sich aus diesen Zahlen aber nicht schließen.Denn diese drei Parteien erhalten seit vielen Jahren häufiger und höhere Zuwendungen von Finanz- und Industrieunternehmen als die SPD. Dieses Spendenverhalten ist also kein typisches Zeichen für das Verhalten der Unternehmen in einem Krisenjahr. Auch Industrieverbände bevorzugen bei ihren Spenden traditionell die Unionsparteien und die Liberalen. Dies hat bei den Diskussionen um das Parteispendengesetz zu Streit zwischen SPD und Union geführt.(Foto: AFP/Text: Susanne Höll)

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