Grüne:Boris Palmer soll Parteimitgliedschaft bis Ende 2023 ruhen lassen

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Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen, vor der Anhörung im Parteiausschlussverfahren. (Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Die Grünen wollen den Tübinger Bürgermeister aus der Partei ausschließen - nun hat das Landesschiedsgericht einen Vergleich angeboten.

Von Max Ferstl, Stuttgart

Im Ausschlussverfahren gegen Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hat das Landesschiedsgericht der Grünen einen Vergleich vorgeschlagen. Wegen verschiedener Verstöße gegen "die Grundsätze und Ordnung der Partei" soll Palmers Mitgliedschaft bis zum 31. Dezember 2023 ruhen, wie die Grünen am Samstag mitteilten. Nach den gut eineinhalb Jahren dürfte Palmer dann wieder Partei-Mitglied sein. Wie Palmers Anwalt Rezzo Schlauch der Süddeutschen Zeitung sagte, hat Palmer dem Vergleich bereits in der Verhandlung zugestimmt.

Der Landesvorstand will bis zum 16. Mai entscheiden. Damit ginge ein fast einjähriger Prozess zu Ende. Im Mai 2021 hatte der grüne Landesparteitag mit klarer Mehrheit das Ausschlussverfahren gegen Palmer eingeleitet. Im Ausschlussantrag hieß es, Palmer verursache "schweren Schaden für die Partei". Konkret ging es um 24 "umstrittene Äußerungen", mit denen Palmer aus Sicht der Parteispitze vor allem gegen Flüchtlinge provozierte und sich abfällig über Ausländer ausließ.

Palmer-Anwalt Schlauch, ehemaliger Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, argumentierte, dass der Schaden, den Palmer angeblich für die Grünen anrichte, nicht erkennbar sei. Die Wahlergebnisse der Grünen in Tübingen hätten sich stets verbessert, Palmers Beliebtheitswerte seien hoch. Zudem würden sich Palmers Äußerungen im Rahmen des grünen Meinungsspektrums bewegen.

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Mit dem Vergleichsangebot gibt das Landesschiedsgericht beiden Seiten in Teilen recht: Es erkennt Palmers Verstöße gegen die Grundsätze der Partei an - bewertet diese aber nicht als so gravierend, dass sie einen dauerhaften Ausschluss rechtfertigen würde. Palmers Anwalt Schlauch hob nach der Anhörung die hohe Sachkompetenz des Schiedsgerichts hervor: "Man kann es sich eigentlich nicht besser, nicht professioneller, nicht seriöser wünschen."

Die Frage über den richtigen Umgang mit Palmer hat die Grünen im Südwesten gespalten

Boris Palmer ist 1996 mit 24 Jahren den Grünen beigetreten, früh galt er als großes politisches Talent im Südwesten. Doch spätestens im Herbst 2015, als viele Geflüchtete nach Deutschland kamen, begann die Entfremdung zwischen dem einstigen Hoffnungsträger und großen Teilen der Partei.

Regelmäßig standen Palmers Erfolge als Tübinger Oberbürgermeister in scharfem Kontrast zu dessen Provokationen, die er vorzugsweise bei Facebook veröffentlichte. Viele der Äußerungen, die der Ausschlussantrag auflistet, stammen aus dem sozialen Netzwerk. Zum Beispiel jener Beitrag, in dem Palmer das N-Wort verwendete - als Zitat aus einem anderen Post und nach eigener Aussage ironisch. Dieser Vorfall war der Auslöser für das Ausschlussverfahren. Bei der kommenden Oberbürgermeisterwahl in Tübingen will Palmer als parteiloser Kandidat antreten.

Die Frage über den richtigen Umgang mit dem streitbaren OB hat die Grünen im Südwesten gespalten. Palmer hat zahlreiche Fürsprecher, vor allem im alten Realo-Flügel der Partei, die zwar viele seiner Äußerungen für geschmacklos oder verstörend halten, die aber auch der Meinung sind, dass eine Partei dies aushalten müsse. Auch an diesem Punkt setzt das Landesschiedsgericht an. Es will beide Seiten dazu verpflichten, im kommenden Jahr die Frage zu besprechen, wie Palmer "künftig kontroverse innerparteiliche Meinungen äußern könnte", ohne gegen grüne Grundsätze zu verstoßen.

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