Wäre die Trump-Ära eine tägliche Seifenoper, so müsste sie nun den Ausstieg einer ihrer einprägsamsten Figuren verkraften: Sean Spicer, Pressesprecher des Weißen Hauses, hört auf.
Der 45-Jährige wurde gerade in den Anfangsmonaten zum Gesicht der neuen Regierung. Sich endlos windende Satzgirlanden, nachgewiesene Falschaussagen und manch rhetorischer Fehltritt gehörten zu seinem Markenzeichen. In der Comedy-Sendung "Saturday Night Live" schlüpfte Melissa McCarthy in seine Rolle und imitierte Spicers ungewöhnliche Erklärungen für das unberechenbare Verhalten des US-Präsidenten. Donald Trump selbst war nicht darüber amüsiert.
US-Politik:Trumps heikle Liebe zu den Generälen
Der US-Präsident gibt dem Pentagon viel Geld und freie Hand in vielen Krisenregionen. Wirken die Generäle mäßigend auf Trump? Experten befürchten eher eine Eskalation.
Bereits in den vergangenen Monaten hatte Spicer vorwiegend im Hintergrund agiert, die Pressekonferenzen übernahm in der Regel seine Stellvertreterin Sarah Huckabee Sanders, Tochter des Politikers Mike Huckabee. Sie folgt ihm auf der Pressesprecher-Stelle nach.
Die 182 Tage, die Spicer seinen Job ausübte, waren von ständig wachsenden Spannungen zwischen Regierung und vielen Medienvertretern geprägt. Schon an seinem ersten Arbeitstag verblüffte der Pressesprecher mit der Behauptung: "Dies war das größte Publikum, das jemals einer Amtseinführung beigewohnt hat. Punkt."
Spicers Vermächtnis
Es sollte nicht seine problematischste Aussage sein. "Jeder versteht, dass ein Spin Teil der Jobbeschreibung ist", bilanziert die Medienkritikerin Margaret Sullivan Spicers Vermächtnis. "Aber offensichtliche Lügen als Wahrheiten zu präsentieren und sich dann darüber aufzuregen, dass sie nicht geglaubt werden? Das war neu." Ebenfalls neu ist das Verbot von TV-Kameras, das inzwischen bei den meisten Medienbriefings gilt.
Spicers Rücktritt hängt unmittelbar mit der Besetzung jenes Postens zusammen, den er zuletzt interimsweise ausgefüllt hatte: US-Präsident Trump hat angekündigt, den ehemaligen Goldman-Sachs-Banker Anthony Scaramucci zu seinem Kommunikationschef zu machen.
Im engeren Führungszirkel des Weißen Hauses gibt es allerdings Medienberichten zufolge erhebliche Zweifel, ob Scaramucci für diesen strategisch angelegten Posten geeignet ist, besitzt er doch keinerlei Erfahrung im PR-Bereich. Neben Spicer sollen sich auch seine Stellvertreterin Sarah Huckabee Sanders, aber auch Stabschef Reince Priebus und Chefberater Steven Bannon gegen die Ernennung ausgesprochen haben.
Scaramucci, ein glühender Anhänger
Scaramucci, phonetischer Spitzname "The Mooch" ("der Schnorrer"), unterstützt Trump seit Mai 2015 mit glühendem Eifer. Seine Loyalität machte den Investmentbanker zunächst zu einem Kandidaten für einen Beraterposten oder eine politische Rolle in einer Behörde. Doch obwohl der 53-Jährige Teil des Übergangsteams war und Trump quasi-offiziell auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos vertrat, ging er zunächst leer aus.
Als Grund wurde damals der Verkauf seines Hedgefonds an eine chinesische Firma kolportiert. Allerdings waren es offenbar Priebus und Bannon, die eine Ernennung blockierten. "Das war ein Mord an Reince [Priebus, d. Red.] und Bannon", zitiert Politico jetzt einen hohen Offiziellen aus dem Weißen Haus. "Sie hatten gesagt, dass Anthony [Scaramucci, d. Red.] diesen Job nur über ihre Leichen bekommen würde."
Bannon, so berichtet Politico diese Woche, agiert derzeit vor allem im Hintergrund, um seinen Job nicht zu gefährden. Im Falle von Priebus wird bereits länger über eine Ablösung spekuliert, weil Trump mit den Negativ-Schlagzeilen unzufrieden ist und seine Leistungen für öffentlich unterverkauft hält. Weil der Stabschef erst spät in die Personalien eingeweiht war, wird dies als weitere Schwächung ausgelegt. Die endgültige Entscheidung soll am Donnerstag in einem Gespräch Trumps mit seiner Tochter Ivanka und ihrem Ehemann Jared Kushner gefallen sein - ein Indiz für die derzeitigen Machtverhältnisse im unübersichtlichen Intrigen-Palast an der Pennsylvania Avenue.
Auch über das Verhältnis zwischen Scaramucci und Priebus wird fleißig spekuliert. Die beiden kennen sich bereits lange, weil der Banker ein Großspender der Republikaner ist, deren Parteiapparat Priebus einige Jahre lang leitete. Einerseits berichten Medien unter Berufung auf das Umfeld, dass sich die beiden nicht ausstehen können.
Das Weiße Haus unternahm am Freitag aber große Anstrengungen, diesen Eindruck zu widerlegen. Priebus habe nur mit der Personalia warten wollen, heißt es. "Wir sind seit langem enge Freunde", erklärte Scaramucci höchstselbst auf seiner ersten Pressekonferenz. "Wir sind ein bisschen wie Brüder, die manchmal miteinander raufen." Er habe Priebus einst sogar einen Job in seiner Investmentfirma angeboten. Dass Priebus demnächst wirklich einen Job brauchen könnte, wabert weiterhin durch Washington.
Via TV zurück in Trumps Gehirn
Als gesichert gilt, dass Scaramucci mit Hilfe des Fernsehens zurück ins Blickfeld des US-Präsidenten geraten war. Dort hatte er ihn zuletzt häufiger wortgewaltig verteidigt. Zudem hatte der ehemalige Investmentbanker einen Sieg über das von Trump leidenschaftlich gehasste CNN errungen. Scaramucci hatte offenbar mit einer Klage gedroht, nachdem der Sender auf seiner Webseite einen falschen Bericht über die Verbindungen des "Mooch" zur Russland-Affäre veröffentlich hatte. CNN zog den Artikel zurück und entließ die drei verantwortlichen Reporter.
Auch am Freitag betonte Scaramucci in seiner Pressekonferenz seine Bewunderung und Liebe für den US-Präsidenten, der seinen Auftritt ohne Zweifel vor dem Fernseher verfolgte.
Guckt Euch nur seine Einschaltquoten an!
Spicer selbst gab in ersten Interviews an, seinem Nachfolger einen frischen Start ermöglichen zu wollen und bis August im Weißen Haus den Übergang zu organisieren. Dem Online-Portal Axios zufolge habe Spicer den Schritt damit begründet, dass er in der neuen Konstellation nicht die Tagesarbeit für den unerfahrenen Scaramucci erledigen wolle.
Über eine Jobmüdigkeit Spicers, der vor seiner Pressesprecher-Zeit als integer galt, war bereits nach seinen ersten Auftritten spekuliert worden. In einer Abschiedserklärung wünschte Donald Trump ihm "weiteren Erfolg bei den neuen Möglichkeiten, die er jetzt sucht. Guckt Euch nur seine Einschaltquoten an!"
Um seine berufliche Zukunft muss sich Spicer angesichts seiner Prominenz und der Nähe zur Trump-Regierung keine Sorgen machen.