Porträt:Sean Spicer in der Höhle des Löwen

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Pressesprecher von Donald Trump: Der härteste Job in Washington? (Foto: REUTERS)

Trumps Sprecher ist mit seiner Rolle heillos überfordert. Zumindest die Fernsequoten profitieren: Seine tägliche Pressekonferenz ist die neue Lieblingssendung der Amerikaner.

Von Sacha Batthyany, Washington

Manche behaupten, Donald Trumps Pressesprecher Sean Spicer habe den härtesten Job in Washington, D. C. Jeden Tag begebe er sich in die Höhle des Löwen und werde von den Journalisten mit Fragen gepeinigt. In ihrer Umschreibung von Spicer schwingt so etwas wie Mitleid mit. Andere sehen in Spicer dagegen den Mann, der Lügen des US-Präsidenten verbreite, etwa Jake Tapper, ein Moderator auf CNN. Tapper nennt zum Beispiel Trumps Anschuldigung, dessen Vorgänger Barack Obama habe seine Telefone verwanzt, oder Trumps Behauptung, es seien noch nie so viele Menschen bei einer Amtseinführung anwesend gewesen. "Spicers Job besteht darin, seinen Chef zu decken. Das macht ihn mitverantwortlich und unglaubwürdig", sagte Tapper.

Seit Trump im Weißen Haus regiert und sein Sprecher Spicer vor die Medien tritt, hat sich die tägliche Pressekonferenz jedenfalls zur neuen Lieblingssendung in den Vereinigten Staaten entwickelt. Hunderttausende sehen ihm zu, wie er sich um Kopf und Kragen redet und zu stottern beginnt, sobald es kompliziert wird. Unter Obama eine eher dröge Veranstaltung, sei Spicers Pressebriefing der "latest shit" im Fernsehmarkt, so sagte es der Komiker Stephen Colbert. Die Einschaltquoten gingen durch die Decke.

Spicers Auftritt vor den Journalisten des Weißen Hauses an diesem Dienstag aber toppt noch einmal alle vorangegangenen. Um den Militärschlag der Vereinigten Staaten gegen das syrische Regime von Baschar al-Assad zu rechtfertigen, benutzte der Sprecher einen äußert fragwürdigen Vergleich. Weder habe die amerikanische Armee im Zweiten Weltkrieg chemische Waffen eingesetzt, "noch ist ein verabscheuungswürdiger Mann wie Adolf Hitler dazu herabgesunken, chemische Waffen einzusetzen". Hitler habe das Gas auch nicht gegen seine eigenen Leute verwendet, wie es Assad tue, sagte Spicer vor den verdutzten Journalisten.

Im Laufe des Gesprächs nahm der überforderte Spicer einen Teil seiner Äußerungen zurück, doch besser wurde es nicht. Er wisse natürlich, dass Hitler Menschen in "Holocaust-Zentren" gebracht habe - womit er offenbar Konzentrationslager meinte.

Soziale Medien: Einfach nur inkompetent und völlig unfähig

Später entschuldigte sich Spicer für den "unangebrachten und unsensiblen" Vergleich zum Holocaust. "Es war ein Fehler, das zu tun", räumte er ein.

Und am Tag danach erklärte Spicer, er habe das Vertrauen von Präsident Donald Trump "enttäuscht".

"Sean Spicer mangelt es an der Integrität, Sprecher des Weißen Hauses zu sein", schrieb das Anne-Frank-Zentrum in New York und forderte Trump auf, seinen Sprecher zu feuern. Auch die Fraktionschefin der Demokraten, Nancy Pelosi, forderte Spicers Rücktritt.

Trump-Sprecher
:Ein historischer Vergleich, der Sean Spicer den Job kosten könnte

Trumps Pressesprecher redet über die Gräuel des Assad-Regimes und behauptet, nicht einmal Adolf Hitler habe Chemiewaffen eingesetzt. Später entschuldigt sich Spicer - doch Kritiker fordern seinen Rücktritt.

Von Johanna Bruckner

In den sozialen Medien wurden eiligst Spicer-Filme zusammengeschnitten, seine gröbsten Versprecher, seine skurrilsten Vergleiche. Spicer sei kein Antisemit, lautet der Tenor. Der Sprecher des Präsidenten sei inkompetent und völlig unfähig.

© SZ vom 13.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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