Trotz der Niederlage bei der grünen Urwahl:Claudia Roth zeigt Stehvermögen

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Sie spricht von einer "herben Klatsche", von "Zweifeln und großer Zerrissenheit": Nach der gescheiterten Bewerbung um die Spitzenkandidatur der Grünen zeigt sich die sonst so energische Parteichefin Claudia Roth angeschlagen und enttäuscht. Trotzdem will sie erneut als Vorsitzende kandidieren. Denn in der Niederlage erlebte sie auch Positives.

Barbara Galaktionow

Es hat sie hart getroffen: Nach all den Jahren im Dienste der Partei, all den Mühen und Kämpfen wurde nicht sie von der Basis zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl gekürt, sondern Fraktionschef Jürgen Trittin und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckhardt. Auch am Montagmorgen, zwei Tage nach Bekanntgabe des Urwahl-Ergebnisses, ist Grünen-Parteichefin Claudia Roth die Enttäuschung noch deutlich anzusehen.

Angeschlagen und müde wirkt sie, wie sie da steht in der Berliner Parteizentrale der Grünen. Roth, oft fast ostentativ energisch, lautstark und fröhlich, wirkt deutlich zurückgenommener als sonst. Sie spricht von "schweren Stunden", die ihr die Mitgliederbefragung beschert hatte. "Wer mich kennt, weiß, dass mich nach dem bitteren Ergebnis bei der Urwahl Zweifel und große Zerrissenheit durchgerüttelt haben", sagt Roth.

Kein Wunder: Von den vier bekannten Grünen, die sich neben zahlreichen weniger bekannten Parteimitgliedern der Abstimmung gestellt hatten, erreichte sie das mit Abstand schlechteste Ergebnis: Gerade einmal 26 Prozent der Mitglieder wollten sie als Spitzenkandidatin bei der Bundestagswahl sehen, noch deutlich weniger als die Drittplatzierte Renate Künast, die fast 39 Prozent erreichte.

Grünen-Parteichefin nach Urwahl
:Claudia kämpft weiter

Einst managte sie eine politische Rockband, seit neun Jahren führt Claudia Roth als Parteivorsitzende die Grünen. Bei der Urwahl der Spitzenkandidaten musste sie eine krachende Niederlage hinnehmen - die Partei will Roth dennoch weiter führen. Ihre politische Karriere

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Die Urwahl an sich - die sie ja selbst mit ins Leben gerufen hatte - will Roth deshalb nicht verwerfen, ganz im Gegenteil: "Die Urwahl war ein Erfolg." Sie habe "gezeigt, was innerparteiliche Demokratie ist, weil wir ein klares Votum haben, weil's eine richtig gute Wahl ist."

"Es geht um Verantwortung für die Partei"

Dass sie selbst nicht gewählt worden sei, sei natürlich eine "herbe Klatsche" und eine "bittere Enttäuschung" für sie persönlich gewesen, sagt sie. Und - das lässt im Hinblick auf die Frage, wie Roth ihre Zukunft sieht - aufhorchen: "Es geht in erster Linie nicht um mich, es geht in erster Linie nicht um meine Enttäuschung." Und so kündigt Roth trotz der Niederlage an, beim Parteitag am kommenden Wochenende erneut für den Vorsitz kandidieren zu wollen - aus Parteiräson und wegen vieler bestärkender Stimmen.

Es gehe um die Ablösung von Schwarz-Gelb, um ein starkes Ergebnis bei der Bundestagswahl und den anstehenden Landtagswahlen, um Unterstützung für "Jürgen und Katrin" und um die Verantwortung für die Partei. "Deshalb ziehe ich meine Kandidatur nicht zurück, sondern biete meiner Partei an, als Vorsitzende alles für den Wechsel zu tun", sagt Roth. Es liege nun an den Delegierten zu entscheiden.

Warum sie dieses Wagnis trotz des schlechten Ergebnisses eingeht und, wie sie sagt, auch mit einem Gegenkandidaten antreten würde? Natürlich, gesteht Roth ein, müsse sie sich mit so einem Ergebnis fragen, "ob Vertrauen noch vorhanden ist". Doch habe sie die Vielzahl von Reaktionen, an Zuspruch und Unterstützung, die sie nach der Niederlage bei der Urwahl erhalten habe, darin bestärkt, noch einmal für den Parteivorsitz zu kandidieren.

Sie sei von den beiden Spitzenkandidaten, von Parteifreunden aus den Ländern und von der Basis dazu ermutigt worden, wieder anzutreten. Sie habe Hunderte von Mails bekommen, sagt Roth. Und besonders berührt habe sie etwas, von dessen Existenz sie bislang gar nichts wusste, ein "Candy-Storm" via Twitter. "So viel Zuspruch habe ich noch nie bekommen", sagt die Grüne.

Führende Grüne reagieren positiv

Führende Grüne würdigten den Schritt Roths. "Ich glaube, dass es für Claudia eine sehr, sehr schwierige Entscheidung gewesen ist", sagte Trittin in Berlin. Er freue sich, dass Roth seinem Wunsch und dem Wunsch vieler anderer in der Partei nachkomme, erneut anzutreten. Es hebe eine große "Solidaritätswelle" für die Parteichefin gegeben.

Claudia Roth werde für den bevorstehenden "harten Wahlkampf" gebraucht, sagte Göring-Eckardt.

Der Grünen-Ko-Vorsitzende Cem Özdemir sagte in Berlin, er könne Roths Enttäuschung über ihr schlechtes Abschneiden bei der Urwahl zur Bundestags-Spitzenkandidatur verstehen. Umso mehr freue er sich, dass sie erneut für den Vorsitz kandidiert. Er zeigte sich zuversichtlich, dass sie ihn auch erringen wird: "Ich bin sehr sicher, dass sie ein tolles Ergebnis auf dem Bundesparteitag am kommenden Wochenende erreichen wird", sagte Özdemir.

Nun hat also die Partei das Wort, was Roths Zukunft angeht. Auf die Frage, wer künftig zentrale parteipolitische Fragen festlege, sagt Roth: "Natürlich haben die beiden Spitzenkandidaten eine herausgehobene Funktion." Auch die Partei erwähnt sie, wenn vielleicht auch nicht ganz so bestimmt, wie die Öffentlichkeit es von Roth gewohnt ist.

Denn selbst wenn sie erneut zur Parteichefin gewählt wird, und selbst wenn dies mit einem guten Ergebnis geschieht, die Niederlage bei ihrer Bewerbung für die Spitzenkandidatur hat Roths Stellung in der Partei geschwächt. Bei Streitfragen dürfte ihre Position künftig weniger Gewicht haben - das dürfte nicht nur den beiden neuen Spitzenkandidaten, sondern vor allem Roth selbst schmerzlich bewusst sein.

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