Einst managte sie eine politische Rockband, seit neun Jahren führt Claudia Roth als Parteivorsitzende die Grünen. Bei der Urwahl der Spitzenkandidaten musste sie eine krachende Niederlage hinnehmen - die Partei will Roth dennoch weiter führen. Ihre politische Karriere in Bildern. Claudia Roth will weitermachen: Auf einer Pressekonferenz erklärt die Grünenpolitikerin, trotz ihrer Niederlage bei der Urwahl noch einmal für den Parteivorsitz zu kandidieren. "Es geht jetzt in erster Linie nicht um mich und um meine Enttäuschung, sondern es geht um etwas Wichtigeres", sagt die 57-Jährige. Nicht die erste Wendung in der Karriere der Grünen-Frau.
Die politische Karriere der ehemaligen Managerin von "Ton Steine Scherben" begann, als sie 1989 für die Grünen ins Europäische Parlament gewählt wurde. Als Koordinatorin der deutschen Grünen setzte sie sich für die Gleichstellung aller in der EU lebenden Ausländer mit EU-Bürgern sowie für humanes Asylrecht ein. Zur Bundestagswahl 1998 zog es sie zurück nach Deutschland. Ihre Partei erreichte 6,7 Prozent und bildete gemeinsam mit der SPD die Regierung. Roth saß von da an im Bundestag. Den Aufstieg in die Parteispitze schaffte sie 2001. Da Renate Künast Verbraucherministerin wurde, musste eine neue Parteivorsitzende an der Seite von Fritz Kuhn gefunden werden. Roth wurde mit 91,5 % der Stimmen gewählt.
Auf dem anschließenden Bundesparteitag überreichten ihr junge Grüne einen Joint. Damit sie sich mal entspannen könne, hieß es damals. Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer stellte später klar, dass es sich um ein Missverständnis handelte. "Das waren keine echten Joints." Dabei hätte Claudia Roth ein bisschen Entspannung in den nächsten Jahren gut gebrauchen können.
Gemeinsam mit dem Realpolitiker Fritz Kuhn führte die aus dem linken Flügel kommende Roth die Partei durch schwierige Zeiten. Immer wieder musste sie der linken Parteibasis Kompromisse vermitteln, die aus der Regierungsarbeit resultierten. Obwohl sie selbst ein halbes Jahr nach der Wahl über die "Verschröderung" der Sozialdemokratie geschimpft hatte.
So verteidigten Roth und der damalige Umweltminister Jürgen Trittin den ersten Atommülltransport nach Gorleben als politisch notwendig.
Große Überzeugungsarbeit innerhalb der eigenen Partei mussten Roth und Kuhn, sowie der damalige Außenminister Joschka Fischer im Zusammenhang mit dem sogenannten Afghanistan-Beschluss im Herbst 2001 leisten. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte die Parlamentsabstimmung über die Beteiligung Deutschlands an internationalen Einsätzen zum Kampf gegen den Terror mit der Vertrauensfrage verknüpft. Die Koalition drohte zu scheitern. Schließlich stimmte nur die Hälfte von ursprünglich acht Abweichlern gegen den Militäreinsatz - nicht zuletzt Dank dem Einsatz von Roth. Schröder erhielt somit zwei Stimmen mehr als für die absolute Mehrheit nötig und blieb im Amt.
Claudia Roth ist jedoch nicht nur für ihr Engagement in der Bundespolitik bekannt, sondern auch für ihren Einsatz im Ausland, insbesondere in der Türkei. Immer wieder setzte sie sich für die Rechte der kurdischen Minderheit ein. So traf sie 2004 die ehemalige kurdische Abgeordnete Leyla Zana in einem Gefängnis in Ankara. In diesem Jahr besuchte sie syrische Flüchtlinge im türkischen Grenzgebiet und forderte deren Aufnahme in Deutschland.
Von 2002 bis 2004 musste Roth wegen der bei den Grünen immer noch geltenden Unvereinbarkeit von Amt und Mandat eine Zwangspause an der Parteispitze einlegen. Nachdem die Regelung gelockert wurde, ließ sich die Grünen-Politikerin zusammen mit Reinhard Bütikofer erneut in die Parteispitze wählen.
So sieht man Claudia Roth selten: Zusammengesunken und still. Als nach der Bundestagswahl 2005 die ersten Wahlergebnisse veröffentlicht wurden, war schnell klar, dass die rot-grüne Regierung nicht mehr fortgesetzt wird. Die Grünen mussten wieder in die Opposition. Mit 8,1 Prozent wurden sie auch nur fünftstärkste Kraft hinter der FDP und Linke/PDS.
Vier Jahre später sah alles schon wieder ganz anders aus: Claudia Roth hatte eine neue Frisur, Cem Özdemir als Co-Vorsitzenden an ihrer Seite und die Grünen fuhren bei der Bundestagswahl mit 10,7 Prozent ihr bestes Ergebnis überhaupt ein. Mittlerweile ist sie die Parteivorsitzende mit der längstem Amtszeit, als solche hat sie die Grünen mitgeprägt.
Bei der Urwahl entschied sich die Parteibasis für Fraktionsvorsitzenden Jürgen Trittin und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt. Auch Claudia Roth hatte sich beworben, um die Grünen als Spitzenkandidatin in die Bundestagswahl 2013 zu führen. Doch die Parteichefin landete abgeschlagen auf Rang vier mit 26,2 Prozent der Stimmen. Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke konnte nicht sagen, ob sich Roth beim Parteitag in einer Woche in Hannover nun wie geplant erneut als Parteichefin zur Wahl stellt. Sollte die Bundestagswahl im nächsten Jahr für die Grünen schiefgehen, könnte der Ruf nach einem Wechsel an der Führungsspitze noch lauter werden. Damit scheint die Spitzenkandidatur für Claudia Roth die letzte Chance auf einen Ministerposten gewesen zu sein.