Trauerfeier in Charleston:Obama singt von der Gnade

Lesezeit: 2 Min.

US-Präsident Obama auf der Trauerfeier in Charleston. (Foto: dpa)
  • Barack Obama hält nach dem Anschlag von Charleston die Trauerrede.
  • Am Ende stimmt der US-Präsident "Amazing Grace" an.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Was bedeutet es, dass Barack Obama der erste schwarze US-Präsident ist? Angesichts der vergangenen Monate, in denen die institutionelle Diskriminierung von Afroamerikanern der Öffentlichkeit förmlich ins Gesicht sprang, bekommt diese Frage fast eine existentielle Note.

Die Antwort liegt in der Trauerrede für Pfarrer Clementa Pinckney, die Obama am Freitag vor der schwarzen Kirchengemeinde in Charleston hielt. Pickney war mit acht anderen Afroamerikanern nach einer Gebetsstunde von einem weißen Rassisten ermordet worden.

Im Stile eines Predigers, unterbrochen von Amen-Rufen der 6000 Trauerfeier-Gästen, hielt der US-Präsident eine der wichtigsten Ansprachen seiner Amtszeit.

Trauer in Charleston
:"Amazing Grace"

Hunderte Trauernde gedenken in Charleston der Toten des Anschlags. Auch US-Bürgerrechtler Jesse Jackson und Barack Obama sind darunter. Der Präsident ehrt den getöteten Politiker und Pastor in einer bewegenden Rede - und stimmt ein Lied an.

"Es war eine Tat, die - so glaubte er [der 21-Jährige Attentäter, d. Red.] - Angst, Anschuldigungen, Gewalt und Misstrauen säen würde. Eine Tat, die - so meinte er - die Gräben vertiefen würde, die bis zur Erbsünde unserer Nation zurückreichen", sagte Obama mit Blick auf die Sklaverei. "Aber Gott arbeitet auf wundersamen Wegen. Gott hat andere Ideen."

"Wir sind blind gewesen, was das einmalige Chaos angeht, das die Gewalt mit Schusswaffen unserer Nation aufbürdet", sagte Obama zur Waffengewalt in den USA. "Die große Mehrheit der Amerikaner, die Mehrheit der Waffenbesitzer wollen daran etwas ändern."

Zur Debatte um die Konföderierten-Flagge, mit der der Täter posiert hatte, erklärte er: "Eine Flagge war nicht Grund für diese Morde." Aber sie von öffentlichen Orten zu entfernen, würde deutlich machen, dass man Fehler wie Sklaverei und die Verletzung der Menschenrechte anerkenne.

"Es wäre ein Betrug an allem, für das Reverend Pinckney stand, wenn wir es uns erlauben würden, wieder in bequemes Schweigen zu verfallen", sagte Obama über den langen Weg zur Bewältigung des Rassismus.

Und dann folgte ganz zum Schluss ein Moment, der historisch zu nennen ist: Der US-Präsident stimmte das Kirchenlied "Amazing Grace" an. Den Text verfasste vor mehr als 200 Jahren John Newton, ein britischer Seemann, der sich vom Sklavenhändler in einen Gegner der Sklaverei wandelte. Als Obama begann die erste Strophe des Liedes zu singen, stimmten Tausende mit ein.

Ein US-Präsident, der schwarze Religiösität und den Schmerz der Afroamerikaner über den Rassismus an die Öffentlichkeit holt. Mit einem Lied, das von Gnade handelt. Gäbe es einen anderen Politiker, der dazu in der Lage wäre?

Die Namen der Opfer von Charleston:

  • Cynthia Hurd, 54 Jahre alt
  • Clementa Pinckney, 41
  • Sharonda Coleman-Singleton, 45
  • Tywanza Sanders, 26
  • Ethel Lance, 70
  • Depayne Middleton-Doctor, 49
  • Susie Jackson, 87
  • Daniel Simmons Sr, 74
  • Myra Thompson, 59
© Süddeutsche.de mit Material von AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: