Anders als bislang angegeben, ist der unter Terrorverdacht stehende Oberleutnant der Bundeswehr bereits früher mit rechtsextremem Gedankengut auffällig geworden. Wie die Süddeutsche Zeitung erfuhr, hat er bereits Ende 2013 eine Masterarbeit mit einschlägiger Tendenz verfasst. Der Vorgang landete jedoch nie in seiner Akte. Bislang hatte das Verteidigungsministerium angegeben, der 28-Jährige sei bislang nie entsprechend auffällig geworden.
Wie aus Militärkreisen zu erfahren war, studierte der Verdächtige 2013 an der renommierten Offiziersschule des französischen Heeres, wo er an der deutsch-französischen Offiziersausbildung teilnahm. Dort verfasste er demnach eine Masterarbeit mit dem Titel "Politischer Wandel und Subversionsstrategie" auf Französisch. Die zuständigen Dozenten lehnten die Annahme allerdings ab - wegen wissenschaftlicher Mängel und weil die Arbeit ihrer Ansicht nach extremistisches Gedankengut enthielt.
Daraufhin informierten die Prüfer Anfang 2014 den damaligen Disziplinarvorgesetzten des Soldaten, einen deutschen Offizier, der für die deutschen Studenten an der französischen Schule zuständig war. Dieser Vorgesetzte leitete sogenannte disziplinarrechtliche Vorermittlungen ein - was bedeutete, dass der Soldat vernommen wurde, unter anderem durch den damaligen Wehrdisziplinaranwalt des Streitkräfteamtes. Allerdings gelang es dem Offizier offenbar, sowohl die französischen Dozenten als auch seinen Vorgesetzten und das Streitkräfteamt am Ende davon zu überzeugen, dass es sich keineswegs um sein eigenes Gedankengut handele. Vielmehr habe er lediglich im Sinne eines "Advocatus Diaboli" Positionen dargestellt. Zudem habe er unter hohem Zeitdruck gestanden und sich daher verzettelt.
Weil ihm die Ermittler Glauben schenkten, stellten sie die Ermittlungen ein. Deshalb landete der Vorgang auch nicht in der Personalakte des Soldaten, der damals sogar eine neue, diesmal offenbar unbedenkliche Masterarbeit verfassen durfte. Auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) wurde nicht informiert. Erst als in dieser Woche seine Festnahme publik wurde, erinnerte sich eine Person aus dem Streitkräfteamt, die damals mit dem Fall befasst war, und meldete sich bei den Ermittlern. Daraufhin wurde die Arbeit ausfindig gemacht und dem MAD übergeben, der sie nun auswertet.
Aufs Verteidigungsministerium kommen unangenehme Fragen zu
Nach allem, was bisher bekannt sei, könne man die Arbeit eigentlich kaum missverstehen, heißt es von Insidern. Der heutige Oberleutnant, so eine Hypothese, müsse daher im Gespräch sehr überzeugend aufgetreten sein - zumal auch damals bereits ein wissenschaftliches Kurzgutachten im Auftrag der Bundeswehr zu einem eindeutigen Befund kam: Die Arbeit enthalte Elemente völkischen Denkens, heißt es darin nach Angaben aus Militärkreisen sinngemäß. Zudem wird nahegelegt, dass es sich um Gedankengut handele, mit dem der Verfasser offenbar vertraut sei.
Auf die Bundeswehr und das Verteidigungsministerium kommen nun unangenehme Fragen zu. Wieder einmal dürfte sich die Debatte darum drehen, ob man in Teilen der Truppe auf dem rechten Auge blind sei. Am Freitag hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Bundeswehr-Generalinspekteur Volker Wieker angewiesen, das militärische Umfeld des Verdächtigen zu beleuchten. Nach SZ-Informationen handelt es sich nach bisherigem Stand um eine kleine Anzahl von Soldaten, die derzeit überprüft werden. Welcher Art der Kontakt mit dem Verdächtigen war und ob sie sein Gedankengut teilten, lässt sich offenbar noch nicht sagen.
Am Donnerstag war bekannt geworden, dass sich der 28 Jahre alte Oberleutnant eine zweite Identität als syrischer Flüchtling zugelegt und in dieser Rolle einen sogenannten subsidiären Schutz erhalten sowie staatliche Leistungen bezogen hatte. Er wird verdächtigt, aus rechtsextremistischen Motiven einen Anschlag geplant zu haben. Ebenfalls verdächtigt wird ein 24 Jahre alter Student. Obwohl der Soldat sich bereits Ende 2015 bei einer Behörde als syrischer Flüchtling ausgegeben hatte, begannen Ermittlungen gegen ihn erst in diesem Jahr. Auslöser war eine Festnahme Anfang Februar, als der Soldat am Flughafen Wien-Schwechat eine Pistole aus einem Versteck holen wollte, in dem er sie deponiert hatte. Er gibt an, die Pistole zufällig gefunden zu haben. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er "eine schwere staatsgefährdende Straftat" plante.
Die Grünen-Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger warf den zuständigen Stellen in der Bundeswehr "komplettes Totalversagen" vor. "Ich bin entsetzt darüber, wie offensichtliche Hinweise auf rechtsextremistisches Gedankengut in einer Organisation wie der Bundeswehr einfach ignoriert worden sind", sagte sie. "Ich erwarte eine lückenlose Aufklärung, inwiefern weitere Äußerungen dieser Art in irgendeiner Form bekannt sind."